Für ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik erntet die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesichts sinkender Umfragewerte zunehmend Kritik aus den eigenen Reihen. Die Union rutschte in dem am Mittwoch veröffentlichten Wahltrend von "Stern" und RTL mit 38 Prozent auf den niedrigsten Wert dieses Jahres.
Zudem fordern laut "Bild"-Zeitung inzwischen mehr als 120 CDU-Politiker, die Grenzen für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftstaaten zu schließen. Laut "Bild" entwickelte sich der Brief, in dem Merkel zu einer Kurswende in der Flüchtlingspolitik aufgefordert wird, inzwischen zu einem "Kettenbrief". Die Grenzschließung solle "zumindest praktiziert werden, solange die Schengen-Außengrenzen faktisch offen sind und die anderen Schengen-Staaten ihren europarechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen", zitierte die Zeitung aus dem Brief, den in der vergangenen Woche erst 34 CDU-Politiker unterzeichnet hatten.
Merkel hält an Kurs fest
Medienberichten zufolge soll es bei der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion am Dienstag hoch her gegangen sein. Merkel sei von mehreren Innenpolitikern scharf kritisiert worden. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte dem Sender N24, neben "viel Übereinstimmung" sei auch ein "Dissens" deutlich geworden "insbesondere bei der Beantwortung der Frage, schaffen wir es denn wirklich, wenn die Zugangszahlen so bleiben, wie sie seit August sind". Merkel habe "ihren Kurs erläutert und deutlich gemacht, dass sie dabei bleiben wird."
Zu Berichten, der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl habe Merkel vor einer "Regierungsabwahl" gewarnt, sagte Bosbach, Uhl habe die Stimmung an der Basis geschildert und auf sinkende Umfragewerte hingewiesen. Zudem habe Uhl gefordert, dass die Regierung sich das Vertrauen der Bevölkerung erhalten müsse.
Nur noch 38 Prozent
Im neuen "stern-RTL-Wahltrend" verlor die CDU/CSU im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt auf jetzt 38 Prozent. Dies war demnach der niedrigste Wert für die Union in der Forsa-Umfrage in diesem Jahr. Auch laut einer Insa-Umfrage im Auftrag der "Bild"-Zeitung liegt die Union derzeit bei 38 Prozent.
CDU-Vize Thomas Strobl sieht keinen schwindenden Rückhalt für Merkel. Die Flüchtlingskrise führe "natürlich zu Diskussionen", sagte Strobl im ZDF-"Morgenmagazin". Bei der Fraktionssitzung seien Argumente ausgetauscht worden, aber das heiße nicht, "dass das ein Misstrauensvotum gegen die Bundeskanzlerin ist". Die Fraktion stehe geschlossen hinter Merkel.
"Stimmung beginnt zu kippen"
Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte die Bundesregierung auf, ihr Maßnahmenpaket zur Flüchtlingskrise schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. "Der Staat muss stärker zeigen, dass er handlungsfähig ist", sagte er in Berlin. Er äußerte sich besorgt über die zunehmenden Übergriffe und Anfeindungen gegen Flüchtlinge, aber auch gegen Kommunalpolitiker: "Wir beobachten in den Städten und Gemeinden, dass die Stimmung zu kippen beginnt."
Zuvor hatte Landsberg im SWR mit Blick auf die Überforderung der Kommunen mit der Flüchtlingskrise gesagt: "Es hakt eigentlich überall. Es hakt am Geld, es hakt am Personal, es hakt am Markt." Er befürwortete die von der Union geplanten Transitzonen in Grenznähe, zudem müssten mehr Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen und Bauprojekte beschleunigt werden.