Die Taliban haben das Zentrum der nordafghanischen Provinzhauptstadt Kunduz erreicht. Sie rückten bei ihrem Angriff am Montag auf den Gouverneurssitz vor. Die Islamisten griffen die Stadt am Morgen aus drei Richtungen an.

Flagge gehisst

"Bisher ist es ihnen gelungen, das Provinzratsgebäude in Kunduz einzunehmen, was jetzt ihre Front ist", sagte Provinzratsmitglied Ghulam Rabbani Rabbani am Montag. "Sie haben auch das öffentliche Krankenhaus mit seinen 200 Betten eingenommen und dringen in Richtung der Provinz-Universität vor." Taliban-Kämpfer hissten ihre Flagge auf dem zentralen Platz der Stadt, wie ein Korrespondent einer Nachrichtenagentur berichtete. 

Rund 120 Sondereinsatzkräfte seien auf dem Weg in die Stadt, um sich dem Kampf gegen die Taliban anzuschließen. Ein Regierungsmitarbeiter in Kunduz-Stadt, der anonym bleiben wollte, sagte: "Einige Polizeiposten in der Stadt sind ebenfalls eingenommen worden. Taliban-Kämpfer mit ihren Waffen sind überall in der Stadt. Viele Menschen fliehen in Richtung des Flughafens, der etwas sicherer ist."

Die Sicherheitskräfte sprachen anschließend von 20 getöteten Taliban und zeigten sich zuversichtlich, den Angriff bald zurückschlagen zu können. Die Truppenstärke sei dazu ausreichend. Provinz-Polizeisprecher Sajed Sarwar Hussaini sagte, die Stadt sei in der Früh aus mehreren Richtungen koordiniert angegriffen worden. "Wir haben Luftunterstützung angefordert." Hubschrauber der Armee griffen die Aufständischen mit Raketen an.

Die Taliban riefen Zivilisten dazu auf, bis zum Ende der Kämpfe in ihren Häusern zu bleiben. Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid teilte über Twitter mit, in dem eingenommenen Krankenhaus suchten Taliban-Kämpfer nach "verwundeten feindlichen Soldaten". Einige Polizisten seien gefangen genommen worden. Die Taliban hätten Fahrzeuge und Waffen erobert und setzten ihren Vormarsch fort.

Der Einmarsch in die Provinzhauptstadt ist ein Meilenstein in dem seit fast 14 Jahren anhaltenden Aufstand der Taliban. Der Angriff auf Kunduz ist der zweite seiner Art in diesem Jahr. Im Juni hatten afghanischen Streitkräfte einen Vorstoß abgewehrt. Der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan endete im Dezember 2014.

Noch mehr Flüchtlinge

Die Gewalt in Afghanistan hat in den vergangenen Jahren wieder zugenommen. Derzeit verließen monatlich bis zu 100.000 Afghanen ihr Heimatland, berichtete die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Zahl der Flüchtlinge sei seit Anfang des Jahres gestiegen, seitdem die afghanischen Behörden elektronisch lesbare Pässe ausgäben, mit denen eine Ausreise in den Iran möglich sei. Die Nachfrage sei enorm.