Mit ihren Gräueltaten in Syrien, dem Irak und Nigeria haben sie über Monate die Schlagzeilen beherrscht, jetzt ist den Extremistenorganisationen Islamischer Staat (IS) und Boko Haram ein neuer Schachzug gelungen: Boko Haram leistete dem IS den Treueschwur, der daraufhin seine "Ausweitung des Kalifats auf Westafrika" in einer Audiobotschaft feierte.

Experten sind sich zwar einig, dass dies vorerst vor allem eine Propaganda-Operation der beiden Islamistengruppen ist, die militärisch unter Druck geraten seien. Später könnte allerdings eine echte Zusammenarbeit folgen.

Die Kooperation der beiden extrem brutalen Milizen sei "mindestens seit neun Monaten im Entstehen" gewesen, berichtet der Afrika-Experte Peter Pham vom Institut Atlantic Council in Washington. "Im Grunde genommen brauchen die beiden Gruppen das. Sie brauchen beide eine Propaganda-Aktion, um die Moral ihrer Truppen zu stützen, die Rückschläge bei ihren Militärkampagnen erleiden."

Kalifat

Für die Extremisten vom IS, die in Syrien und im Irak ihr Kalifat ausgerufen haben, sei das nun die Gelegenheit, sich "in beständiger Expansion" darzustellen, meint Pham. Tatsächlich seien die Islamisten in ihrer Region in die Defensive geraten. Sie wollten nun "ihre Aura" stärken, als "unabwendbar" erscheinen. Auch Boko Haram sehe sich einer Militäroffensive von Streitkräften mehrerer Länder der Region gegenüber.

Auch das Sicherheitszentrum Soufan Group in New York hebt in einer Analyse vom Freitag hervor, dass die neue Verbindung ein "sehr notwendiger Propaganda-Sieg" für beide Gruppen sei. Im Moment werde der unter Druck geratene IS "jeden Sieg" für sich beanspruchen, den er bekommen könne. Doch mittelfristig warnt das Beratungszentrum auch davor, dass dadurch der Krieg in Nigeria internationalisiert werden und Boko Haram noch grausiger als bisher vorgehen könnte: "Die Allianz könnte eine Eskalation der Attacken im Nordosten Nigerias auslösen, da Boko Haram sich dem Islamischen Staat gegenüber beweisen will."

25 IS-Provinzen

Bisher hatte der IS für sein Kalifat 25 Provinzen im Irak, in Syrien, Libyen, Jemen, Algerien, Saudi-Arabien, Ägypten, Afghanistan und Pakistan beansprucht. Nach dem IS-Treueschwur könnte Boko Haram künftig mit IS-Milizen in Libyen enger zusammenarbeiten, mit denen es beim Waffenhandel bereits Verbindungen gibt. Auf längere Sicht wäre das "wirklich gefährlich", warnt Afrika-Experte Morten Boas von der Universität Oslo.

Auch Pham meint, es könne künftig sein, "dass Kämpfer aus Nordafrika, die sich bisher IS anschließen, nachdem sie in Libyen trainiert haben, sich eher entscheiden, die Reihen von Boko Haram zu stärken". Tatsächlich rief die IS-Miliz in ihrer am Donnerstag verbreiteten Audiobotschaft auch Muslime auf, sich nun nach Westafrika zu begeben und sich Boko Haram anzuschließen.

Wie die US-Regierung erinnern eine Reihe von Experten aber auch daran, dass sich Boko Haram früher bereits dem Terrornetzwerk Al-Kaida beziehungsweise Al-Kaida im Islamischen Maghreb (Aqmi) angeschlossen hatte. Angesichts der "identischen" Treueschwüre gehe es eher um Propaganda als um eine operationelle Zusammenarbeit, sagte US-Außenamtssprecherin Jennifer Psaki dieser Tage.

"Im Moment nutzt Boko Haram das, um mächtiger zu erscheinen, als er in Wirklichkeit ist", urteilt Morten Boas mit Blick auf den Zusammenschluss mit dem IS. Der Sicherheits- und Afrikaexperte fügt allerdings hinzu: "Das ist eine starke Waffe: Wie IS haben sie es geschafft, Gebiete zu erobern, weil die gegnerischen Soldaten Angst hatten und die Flucht ergriffen."

MICHEL MOUTOT/AFP