Gut eine Woche nach der Ermordung des Kreml-Kritikers Boris Nemzow hat einer der Verdächtigen nach russischen Justizangaben eine Beteiligung an der Tat gestanden. Der Tschetschene Saur Dadajew habe ein "Geständnis" unterzeichnet, sagte die Haftrichterin Natalja Muschnikowa am Sonntag in Moskau.
U-Haft bis Ende April angeordnet
Er und ein weiterer Tschetschene wurden wegen Mordes angeklagt, für die insgesamt fünf Verdächtigen wurde eine Untersuchungshaft bis Ende April angeordnet. Die Verdächtigen wurden von schwer bewaffneten Polizisten in Handschellen in den Gerichtssaal geführt und in Käfige gesperrt. Laut Nachrichtenagentur Tass stehen sie gemäß Artikel 105 Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs unter Verdacht, zusammen einen Mord verübt zu haben, um "sich zu bereichern oder im Auftrag". Dies deutet darauf hin, dass die Ermittler die Spur eines Auftragsmords verfolgen.
Dadajew und Ansor Gubatschew waren am Samstag in der benachbarten Kaukasusrepublik Inguschetien festgenommen worden. Dadajew war laut Medienberichten früher stellvertretender Chef einer tschetschenischen Polizeieinheit. Er war laut Tass 2010 vom russischen Innenministerium für seinen Mut ausgezeichnet worden. Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow erklärte über Instagram, er verstehe Dadajews Festnahme nicht, da dieser "ein echter russischer Patriot" und verdienter Soldat gewesen sei.
Dadajews Beteiligung sei durch sein Geständnis "bestätigt", versicherte Richterin Muschnikowa. Der mit Dadajew festgenommene Gubatschew soll für einen privaten Sicherheitsdienst in Moskau gearbeitet haben. Er erklärte sich für unschuldig, wurde aber ebenso wie Dadajew wegen Mordes angeklagt. Auch Gubatschews 31-jähriger Bruder und zwei Männer im Alter von 45 und etwa 35 Jahren wurden festgenommen, sie wurden aber zunächst nicht angeklagt. Auch sie beteuerten ihre Unschuld.
"Es gibt Beweise für ihre Beteiligung", sagte dessen ungeachtet ein Vertreter der Staatsanwaltschaft. Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete unter Berufung auf Ermittlungskreise, ein sechster Verdächtiger, habe offenbar mit einer Granatenexplosion Suizid begangen, als Sicherheitskräfte seine Wohnung in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny umstellt hätten.
Prominenter Putin-Widersacher
Der 55-jährige Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke vor den Mauern des Kreml im Zentrum Moskaus erschossen worden. Die Ermordung des Regierungsgegners löste in Russland und weltweit Bestürzung aus. Der frühere Vize-Ministerpräsident war einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin und ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik.
Der frühere FSB-Chef und heutige Abgeordnete Nikolai Kowalew sagte nach den Festnahmen am Samstag, bei den Festgenommenen handle es sich womöglich um Auftragsmörder. Entscheidend sei, die Hintermänner des Verbrechens ausfindig zu machen. Der Kreml hatte die Tat als eine gegen die Regierung gerichtete "Provokation" bezeichnet. Das Ermittlungskomitee nannte den Mord einen "Versuch zur Destabilisierung der politischen Lage".
Die Ermittler untersuchen unter anderem einen islamistischen oder nationalistischen Tathintergrund. Auch Nemzows scharfe Kritik an Russlands Ukraine-Politik nannten sie als ein mögliches Mordmotiv. Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beschuldigte hingegen die Staatsführung, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Andere Oppositionelle halten die Regierung zumindest für mitverantwortlich.
"Mit voller Unterstützung der Machthaber"
Auch Nemzows Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. "Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord", sagte die 30-Jährige der "Bild am Sonntag". Sie sei überzeugt, dass das Attentat "mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde. Dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden".
Kadyrow deutete an, dass Nemzows Kommentare zum "Charlie-Hebdo"-Anschlag das Motiv für die Ermordung des Oppositionspolitikers sein könnten. "Alle, die Saur kennen, erklärten, dass er tiefgläubig ist und wie alle Muslime von den Aktivitäten von 'Charlie Hebdo' und von den Kommentaren für einen Abdruck von Karikaturen erschüttert gewesen ist." Nemzow soll Berichten zufolge Drohungen erhalten haben, weil er sich solidarisch mit den Opfern gezeigt hatte.