Die Bilder machten Hoffnung. Demonstrative Geschlossenheit nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo, Millionen Menschen auf den Straßen von Paris, vorne weg die politische Welt-Elite und die Angehörigen der Opfer, Hand in Hand und an der Spitze des Volkes - die Staatslenker und wir, welch Geste.
Mehr aber auch nicht. Denn die Fotos der Staats- und Regierungschefs täuschen, wie Twitter-Nutzer beweisen. Sicherheit ist wichtiger als die große Geste: Aufgenommen wurden die Fotos weder inmitten der Millionen-Demos, noch waren die oft erwähnten Angehörigen der Opfer unter den Politikern zu finden. In einer Seitenstraße, fernab des eigentlichen Demo-Zugs, kam es am Sonntag gegen 15.30 Uhr zu dem symbolträchtigen Polit-Gipfel, umringt von Security-Personal und Scharfschützen auf den umliegenden Dächern. "Das Volk geführt haben die Politiker wohl kaum", twitterte etwa der US-Journalist Borzou Daragahi in Anlehnung an zahlreiche Schlagzeilen.
Aufgrund der angespannten Sicherheitslage in der französischen Metropole stiegen nahezu alle Spitzen-Politiker kurz darauf wieder in ihre Karossen und verschwanden. Lediglich Frankreichs Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls suchten danach den Kontakt zu den Überlebenden des Attentats auf die Redaktion von Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt.
Merkel fiel Foto-Montage zum Opfer
Eine wesentlich schlimmere Fälschung fertigte jedoch die ultraorthodoxe Zeitung "Hamodia" aus Israel an - und retuschierte kurzerhand alle Frauen aus dem Bild (der strenge Glaube zwingt zur strikten Geschlechtertrennung - auch auf Fotos). Angela Merkel, die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini fehlen in dem abgedruckten Bild der Zeitung, die immerhin in einer Auflage von 25.000 Stück erscheint.
"Sarko" mittendrin
Umso verwunderlicher scheint es aber, dass ausgerechnet Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy auf zahlreichen Fotos in der erster Reihe der vermeintlichen Demo-Spitze auftauchte. Gemäß dem strengen Sicherheitsprotokoll wäre sein Antlitz jedoch frühestens in der vierten Reihe auszumachen gewesen - hinter den Angehörigen, den Politkern und deren Bodyguards. Auf Twitter wurde der präsenzhungrige Sarkozy binnen kurzer Zeit zum Renner: Unter dem Hashtag "JeSuisNico" posteten zahlreiche Nutzer Foto-Montagen des ehemaligen Staatsoberhauptes, etwa an der Spitze der französischen Revolution oder beim Verdun-Treffen 1984.
SEBASTIAN KRAUSE