Der neu aufgeflammte Bürgerkrieg in Syrien scheint sich auszuweiten. Wie am Montag aus syrischen Militärkreisen verlautete, hat die von Islamisten bedrängte Armee nun auch Unterstützung pro-iranischer Milizen aus dem Nachbarland Irak erhalten. "Das ist frische Verstärkung, die geschickt wird, um unseren Kameraden an der Front im Norden zu helfen", sagte ein Offizier. Bereits am Wochenende hatte sich erstmals seit acht Jahren wieder Russland mit Luftangriffen eingeschaltet.
Der Iran und Russland sind die wichtigsten Verbündeten des syrischen Machthabers Bashar al-Assad, der seit fast 14 Jahren ums politische Überleben kämpft. Assads Truppen hatten sich nach dem Wiederaufflammen des Syrien-Konflikts und einem überraschend schnellen Vorstoß islamistischer Rebellen am Wochenende aus Aleppo zurückgezogen.
Kurdische Truppen wollen Zivilisten evakuieren
Unterdessen kündigte das kurdische Militärbündnis in Nordsyrien an, kurdische Zivilisten aus mehreren Gebieten der Provinz Aleppo evakuieren zu wollen. "Wir koordinieren uns aktiv mit allen relevanten Parteien in Syrien, um die Sicherheit unseres Volks zu gewährleisten und seine sichere Umsiedlung zu erleichtern", erklärte der Chef der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), Maslum Abdi, am Montag. Die Menschen sollen demnach in "unsere sicheren Gebiete im Nordosten des Landes" gebracht werden.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte am Sonntag erklärt, dass rund 200.000 syrische Kurden von "pro-türkischen Gruppen belagert" würden. Die Kämpfer hätten die Kontrolle über die Stadt Tal Rifaat sowie einige umliegende Dörfer übernommen. Die Situation im Nordwesten Syriens habe sich "schnell und plötzlich entwickelt", teilte Abdi mit. "Unsere Kräfte sehen sich intensiven Angriffen an mehreren Fronten gegenüber". Nach dem "Zusammenbruch und Rückzug der syrischen Armee und ihrer Verbündeten" hätten die SDF einen "humanitären Korridor" zwischen Aleppo und Tal Rifaat eingerichtet, fuhr Abdi fort. "Die Angriffe der bewaffneten Gruppen, die von der türkischen Besatzung unterstützt werden, haben diesen Korridor jedoch unterbrochen."
Zwölf Tote bei russischen Luftangriffen
Bei russischen Luftangriffen auf Aleppo gab es Aktivisten zufolge zwölf Tote. Russlands Luftwaffe habe Ziele vor einer Klinik im Zentrum der Stadt bombardiert, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London mit. Unter den Todesopfern seien neben Mitgliedern der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Sham (HTS) auch acht Zivilisten. 23 Menschen seien verletzt worden, teilten die Aktivisten weiter mit.
Die syrische Staatsagentur SANA meldete zuvor nahe der Millionenstadt Opfer unter oppositionellen Kämpfern. Dutzende seien "getötet und verletzt" worden, meldete SANA unter Berufung auf syrische Armeekreise am Sonntagabend. Damaskus habe die Angriffe auf den Stadtrand eines Ortes südöstlich von Aleppo zusammen mit Moskau ausgeführt. Die genaue Opferzahl war zunächst unklar. Die Aktion gilt als Reaktion auf das Vorrücken von Jihadisten.
Einwohner der betroffenen Stadt Al-Safira sagten, Rebellen hätten den rund 25 Kilometer von Aleppo entfernten Ort inzwischen auch eingenommen. Die Angaben ließen sich zunächst allesamt nicht unabhängig überprüfen. Bereits in der Nacht und in der Früh hatte die russische Luftwaffe Rebellen im Nordwesten Syriens angegriffen.
Jihadisten rückten seit der Wochenmitte immer weiter vor
Seit Mitte der Woche konnten Rebellen unter Führung der islamistischen Haiat Tahrir al-Sham (HTS) größere Gebiete im Nordwesten Syriens erobern, darunter die Millionenstadt Aleppo. Syriens Machthaber Bashar al-Assad kündigte eine Gegenoffensive an. Bei den Attacken der Jihadisten sollen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mittlerweile mehr als 400 Menschen getötet worden sein.
Die Jihadistengruppe HTS, der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, und ihre Verbündeten hatten am Mittwoch eine überraschende Großoffensive gegen die Streitkräfte der syrischen Regierung gestartet und waren insbesondere auf die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo vorgerückt. Assad kündigte eine Gegenoffensive an. Russland gehört zu den wichtigsten Verbündeten der syrischen Regierung.