Internationaler Star ist keine Bezeichnung, die üblicherweise mit Zentralbanken in Verbindung gebracht wird. Elvira Nabiullina ist da eine Ausnahme. Zumindest war sie das. 2013 wurde die Wirtschaftswissenschafterin überraschend zur Chefin der Zentralbank ernannt – die erste Frau auf dem Spitzenposten dieser in Russland sehr angesehenen Institution. Noch vor wenigen Jahren galt die heute 61-Jährige als liberal und wurde für ihre Politik international bewundert. Die heutige EZB-Chefin Christine Lagarde lobte Nabiullina 2018 als eine, die „das Zentralbankwesen zum Singen bringen kann“.
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine fiel sie im Westen in Ungnade. Laut Berichten wollte die Bankerin damals zurücktreten, doch der russische Präsident Wladimir Putin lehnte ihr Gesuch ab. Infolge verhinderte Nabiullina durch entschlossenes Handeln einen Wirtschaftscrash und schiffte Russland so erfolgreich durch den westlichen Sanktionssturm, dass viele überhaupt an der Wirksamkeit der Maßnahme zweifelten. „Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie das Drehbuch dafür geschrieben hat, wie man auf externen Sanktionsdruck reagiert“, lobte sie der Ökonom und Politikwissenschafter Daniel McDowell noch vor wenigen Monaten.
Aktuell macht die Mutter eines erwachsenen Sohns mit der Ankündigung einer Senkung des Leitzinses von sich reden. Der war zuletzt als Reaktion auf stark gestiegene Preise (die russische Inflation liegt bei 8,5 Prozent) auf 21 Prozent erhöht worden. Die russische Wirtschaft stöhnt ob der teuren Kredite, der Rubel verliert rasant an Wert und die Zentralbankgouverneurin musste im Sommer – wenn auch kryptisch – eingestehen, dass die Sanktionen immer stärker zu greifen scheinen. Auch wenn sie sich zuletzt optimistisch gab, in Russlands Wirtschaft wird die Kritik an ihr lauter. Beobachter glauben, dass sie bald als Sündenbock herhalten wird müssen.