Von Turbulenzen begleitet war die Abstimmung über eine Verschiebung des bereits 2023 beschlossenen EU-Entwaldungsgesetzes. In letzter Sekunde hatte die EVP, die ursprünglich für das Gesetz gestimmt hatte und mittlerweile dessen Abschwächung fordert, eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht, unter anderem um eine Verschiebung um zwei Jahre statt um ein Jahr zu erreichen – sehr zum Missfallen der Befürworter, etwa den Grünen. Der Streit reichte über das eigentliche Thema hinaus, weil derzeit auch das Ergebnis der Hearings für die neuen Kommissare in der Luft hängt und die Mitte-Links-Parteien der EVP eine Annäherung an die Rechtsparteien vorwerfen.
Unmittelbar vor der Abstimmung zog die EVP gleich sechs der Änderungsanträge zurück, begründet wurde das von Chefverhandlerin Christine Schneider damit, dass die Kommission in diesen Punkten bereits Entgegenkommen signalisiert habe. Dann wurde es turbulent: Das neu installierte Abstimmungssystem im Brüsseler EU-Parlament versagte bei einer Reihe von Abgeordneten den Dienst, sie erhoben laut Einspruch und mussten zum Teil die Geräte wechseln. Schließlich ging alles durch, was am Tisch lag: Unter anderem wird der Beginn der Verordnung um ein Jahr auf Ende 2025 verschoben, neu hinzukommen soll eine vierte Kategorie für „kein Entwaldungsrisiko“. Unternehmen und Behörden aus derart eingestuften Ländern oder Regionen wären praktisch von den Regeln der Verordnung ausgenommen, das dürfte insbesondere für Österreich gelten. „In Ländern mit stabiler oder zunehmender Entwicklung von Waldgebieten ist das Risiko der Entwaldung gemäß der Verordnung unwesentlich oder gar nicht vorhanden. Daher bestehen ernsthafte Zweifel an der Zielausrichtung und der Verhältnismäßigkeit der Verordnung“, wird der Änderungsantrag begründet.
Waldwirtschaft und Bauernvertreter erfreut
In einer ersten Reaktion zeigten sich österreichischer Bauernbund und ÖVP-EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber sehr erfreut: „Die Umsetzung wurde endlich auf ein realistisches Maß zurückgeholt“, so Bernhuber. Erfreut über das heutige Resultat zeigten sich auch die betroffenen Wirtschaftsverbände aus Österreich. „Die nun verabschiedeten inhaltlichen Verbesserungen der EUDR ermöglichen es, die EUDR in der Praxis anwendbar zu gestalten und damit das richtige Ziel der EUDR überhaupt realistisch erreichen zu können“, freut sich Herbert Jöbstl, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs .„Es ist erfreulich, dass endlich anerkannt wird, dass Länder wie Österreich, die einen nachhaltigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, nicht mit unverhältnismäßigem bürokratischem Aufwand belastet werden sollten“, so Konrad Mylius, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich. Auch der Handelsverband begrüßt die Abstimmung. „In ihrer ursprünglichen Form hätte die Entwaldungsverordnung die Rezession der österreichischen Wirtschaft verschärft, die Wettbewerbsfähigkeit Europas verschlechtert und unseren Wohlstand gefährdet“, so ihr Geschäftsführer Rainer Will.
Umweltschützer entsetzt
Allerdings gibt es nun Befürchtungen, die Länder „ohne Risiko“ würden einen unlauteren Wettbewerbsvorteil innerhalb der EU bekommen, weil sie etwa für Handelspartner in Drittländern interessanter seien; oder aber Länder wie China könnten unkontrolliert bleiben. Entsetzt zeigten sich hingegen Umweltschützer. Die NGO „Südwind“ spricht von einer „umweltpolitischen Bankrotterklärung der Europäischen Union. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, knicken Parlament und Kommission vor der Forst-Lobby ein“, hieß es. EU-Abgeordneter Thomas Waitz (Grüne): „Diese Klientelpolitik für die Waldindustrie gefährdet auch europäische Wälder.“ Nun müssen sich Kommission und Rat mit der neuen Lage beschäftigen, ein neuer Trilog (noch heuer) ist notwendig.
Entscheidung mit den Stimmen der Rechten
Der Streit um das Waldgesetz hat in diesen Tagen eine weitere Dimension, ist doch nach den Hearings das Paket der sechs künftigen Vizepräsidenten für die EU-Kommission in Warteschleife. Es liegt vor allem an einem Konflikt zwischen EVP und Sozialdemokraten. Die Konservativen verlangen Zugeständnisse von der spanischen Kandidatin Teresa Ribera Rodriguez in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe (Ribera ist noch Ministerin in Spanien), umgekehrt opponiert die S&D gegen den Italiener Raffaele Fitto, von der EKR, der von der EVP unterstützt wird; die EVP lasse sich zunehmend auf die Rechten ein, lautet der Vorwurf. Auch Teile der Wald-Abstimmung gingen nur durch Unterstützung von AfD-Abgeordneten durch.