Um 2.30 Uhr Ortszeit tritt Trump in Florida vor die Presse. Noch ist nicht die letzte Stimme ausgezählt und er nicht als Sieger ausgerufen, aber seine Mehrheit zeichnet sich klar ab. „Das größte politische Comeback in der amerikanischen Geschichte“, sagt sein Vize JD Vance. Trump dankt seinen Anhängern, seiner Frau und seinen Kindern – allen fünf – und Elon Musk. Nun werde er Amerika „heilen“.
Noch ist nicht alles ausgezählt, aber der 78-Jährige konnte bereits eine Mehrheit von 291 Wahlmännern auf sich vereinen. „Trump stürmt zurück“, titelte die „New York Times“ am Morgen des 6. November, die Zeitung, die noch um 2 Uhr nachts von einer „knappen Auszählung“ geschrieben hatte, als Trump bereits in Mar-a-Lago seine Kampfrede hielt, bei der er versprach, Amerika wieder zum allergrößten Land der Welt zu machen.
Stunden zuvor in der Wahlnacht: Die Jungen Republikaner in New York haben Trump-Fans in eine Bar im East Village eingeladen. Auf den Bildschirmen wird minütlich und Wahlkreis für Wahlkreis die Auszählung aktualisiert. Trump-Servietten liegen herum, viele tragen die roten MAGA-Kappen, Make America Great Again. Ein Mann hat Trumps Polizeifoto auf dem T-Shirt, mit der Zeile: „Never Surrender“. Viele Gäste sind jung, viele Latinos, Afroamerikaner und Asiaten. Drei junge Frauen in schwarzen Spitzenkleidern freuen sich über jede einzelne Erfolgsmeldung. Warum sind sie für Trump? „Wegen des Krieges in Gaza und Libanon“, sagt Nicole, die in Miami lebt und halb libanesisch, halb kubanisch ist. Sie hat Freunde in Michigan und kann nicht verstehen, dass dort überhaupt jemand für Harris stimmt, zumindest bei den Arabern. „Für die Demokraten sind wir nur Verschubmasse“.
Für Kamala Harris hat am Ende alles nichts genützt: nicht die Strahlkraft von Barack Obama und Bill Clinton, Oprah Winfrey und Taylor Swift. Nicht Vizepräsident Tim Walz, der alte weiße Männer und junge woke Frauen gleichsam ansprechen sollte. Nicht die atemlose Unterstützung der „New York Times“ und anderer Medien. Nicht Trumps Anklagen und Prozesse wegen Wahlbeeinflussung, Betrug und Vergewaltigung. Nicht die Unterstützung der prominenten Republikaner Liz Cheney und Mitt Romney. Nicht die Warnung vor dem „Project 2025“, der soziale Kahlschlag der konservativen Think-Tanks oder die Flüsterkampagne über Wladimir Putins heimlichen Einfluss. Nicht die Rekordsumme von über einer Milliarde Dollar, die die Harris-Kampagne insgesamt ausgegeben hat.
Szenenwechsel: Vor dem Trump Tower an der Fifth Avenue demonstriert Anthony Smith aus New Jersey, mit sich ein „Friedenszug“ aus buntem Plastik. Er ist für Trump, denn der sei für den Frieden. „Wir haben das bessere Team“, sagt er. „Wir haben Elon Musk und Robert Kennedy Jr.“ Neben ihm steht Michael Gonzales aus der Bronx. Er ist für Trump wegen der illegalen Immigration, die die Stadt gefährlich mache, sagte er. Seine Schwägerin sei neulich in der Upper East Side überfallen worden. „Damit wird Trump aufräumen. Der ist ein starker Mann.“ Gonzales stammt aus Nicaragua, ist aber Amerikaner. Er ist kein Einzelfall. Trump habe Erfolg bei Latinos, weil viele verärgert über die Flüchtlinge seien, die so viele Hilfen bekämen, sagt Pfarrer Arden Strasser von St. Luke‘s, einer Kirche am Times Square.
Tatsächlich ist das Erstaunlichste, wie sehr Trump bei Latinos zugelegt hat, die 15 Prozent der Bevölkerung stellen: Laut Umfragen nach der Wahl stimmten 45 Prozent für Trump, 14 Prozentpunkte mehr als 2020. Bei hispanischen Männern hat er mit 54 Prozent sogar die Mehrheit. Auch Latinos kritisieren die Immigrationspolitik der Biden-Regierung, die weder die Grenze sicherte noch eine Reform der Immigrationsgesetze durchsetzte. Bei den schwarzen Männern legte Trump leicht zu – auf 20 Prozent – wenngleich er bei schwarzen Frauen nur sieben Prozent holte. Von weißen Frauen bekam er 52 Prozent, drei Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl. Insgesamt hatte Harris bei Frauen zehn Prozentpunkte mehr als Trump. Die einzige Bastion, die Harris sichern konnte, waren jüdische Wähler, die zu knapp 80 Prozent demokratisch stimmten.
Außerdem erstaunlich: Bei Jung- und Erstwählern legte Trump klar zu. Weniger überraschend sind Trumps Erfolge bei konservativen Evangelikalen und bei weißen Arbeitern. Derweil haben die Demokraten ländliche Wähler ohne Collegeabschluss vor den Kopf gestoßen. Erst vor ein paar Tagen hat Joe Biden Trump-Unterstützer „Abfall“ genannt. Und natürlich hat es den Demokraten geschadet, dass sie Sorgen wegen der explodierten Preise nicht richtig ernst genommen haben. Trump will Ölbohrungen in den USA verstärken, allerdings auch Importtarife gegen chinesische Güter verhängen.
Von Ermittlungen gegen Trump wird man nicht mehr viel hören. Wie es mit der Ukraine mit einem isolationistischen US-Präsidenten weitergeht, ist ungewiss. Gewiss ist: Der Riss durch Amerika wird noch tiefer.