In Deutschland wird es schon sehr bald Neuwahlen geben. Den Weg dazu freigemacht hat am Mittwochabend der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Nachdem er Finanzminister Christian Lindner entlassen hat, will er am 15. Jänner im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, um den Weg für Neuwahlen zu ebnen. Das kündigte Scholz in einem Statement an. Der geschasste Finanzminister warf dem Bundeskanzler hingegen „kalkulierten Koalitionsbruch“ vor, als er vor die Kameras trat.
In seinem Statement wies Scholz seinem entlassenen Finanzminister umfänglich die Schuld am Bruch der Koalition zu. Dieser habe in Zeiten der Krise egoistisch gehandelt, nur an das Überleben seiner Partei gedacht und Klientelpolitik betrieben, anstatt an alle Bürger zu denken. Lindners Verhalten sei für Scholz egoistisch und nicht mehr tragbar gewesen.
Ampel-Koalition war nie Liebesheirat
Es rumort schon lange in der Ampel-Koalition. Eine Liebesheirat war das Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP noch nie. Als Zweckgemeinschaft hatte man dennoch Großes vor und zerrieb sich im Klein-Klein. Zuletzt hatte ein geleaktes Wirtschaftspapier, das Finanzminister Lindner verfasst hatte, für Aufsehen gesorgt. Darin hatte Lindner eine komplette Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik gefordert. Seitdem folgte ein Krisengespräch auf das andere. Zuletzt am heutigen Mittwoch. Sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schaltete sich ein.
Streitpunkt des Krisengesprächs am Mittwochabend war wieder einmal die Wirtschafts- und Budgetpolitik. Weil sich der Koalitionsausschuss nicht einigen konnte, hat Lindner den deutschen Kanzler aufgefordert, den Weg für Neuwahlen freizumachen. Lindners Begründung: fehlende Gemeinsamkeiten als Basis, die Koalition noch weiter fortzusetzen. Deutschland brauche schnell Stabilität. Das lehnte Scholz jedoch ab. In das Krisengespräch war Scholz noch mit verschiedenen Vorschlägen gegangen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken sollen, wie der Bundeskanzler in seinem Statement berichtet. Zudem wollte der Bundeskanzler sicherstellen, dass die Unterstützung der Ukraine verstärkt wird.
Um die Investitionen zu finanzieren, sei ein Aussetzen der Schuldenbremse unumgänglich gewesen, so Scholz. Doch das habe Lindner strikt abgelehnt. Die Entlassung Lindners und der damit einhergehende Bruch der Ampelkoalition sei damit unvermeidbar gewesen. „Es hat keine Vertrauensbasis mehr gegeben für eine gemeinsame Zusammenarbeit“, sagte Scholz. Gerade nach dem Ausgang der Wahl in den USA und Krieg in Europa sei ein „solcher Egoismus völlig unverständlich“, so der Bundeskanzler.
Scholz über Lindner: „Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen“
„Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert“, sagte der SPD-Politiker im Kanzleramt. „Zu oft hat er kleinkariert, parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. „So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich“, sagte Scholz. Ein solches Verhalten wolle der dem Land nicht weiter zumuten.
Bundesminister Lindner wird von Bundespräsident Steinmeier entlassen. Bis Weihnachten wollen Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) alle Gesetzgebungsvorhaben in den Bundestag bringen, die keinen Aufschub dulden. In der ersten Sitzung nach Weihnachten, am 15. Jänner, will Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, um schnell den Weg für Neuwahlen freizumachen. Neuwahlen wären dann im März oder April 2025 möglich. Zudem hat Scholz angekündigt, schnell Gespräche mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) zu suchen.