In den Morgenstunden, als klar war, dass Donald Trump ein weiteres Mal der mächtigste Mann der USA werden würde, sprachen zwei Europäer miteinander, denen man zumindest hier ebenfalls Bedeutung zumisst. Emmanuel Macron und Olaf Scholz kamen überein, sich „in diesem Kontext für ein geeintes, stärkeres und souveränes Europa einzusetzen“. Dies könne passieren durch die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und gleichzeitig die „Verteidigung unserer Interessen und Werte“.
Europa, besser gesagt die Europäische Union, hat ein Faible für solche Kalendersprüche. Es sind Schönwetterfloskeln, man bekommt verhaltenen Applaus dafür an festlichen Abenden oder bei programmatischen Reden. Doch während in Brüssel die Gläser klirren, ist in anderen Teilen der Welt die alte Ordnung längst aufgebrochen. Das gilt insbesondere für die transatlantischen Beziehungen, die sich über das Verteidigungsbündnis Nato, vor allem aber über die wirtschaftlichen Verflechtungen jahrzehntelang zum Guten entwickelt haben – da waren beiderseitiges Demokratieverständnis, Bekenntnisse für Freiheit, Frieden und Rechtsstaatlichkeit eine Grundlage, auf der sich das alles aufbauen ließ.
Diese Epoche ist vorbei, eine neue hat begonnen. Die EU hat die Zeichen der Zeit, die spätestens in der Ära Trump I deutlich sichtbar geworden sind, bis heute nicht erkannt. Dass in der neuen Kommission nun etwa ein eigener Verteidigungskommissar sitzt, ist schon einmal ein Schritt – aber wir sind derzeit, fünf Monate nach der EU-Wahl, erst bei den Hearings angelangt. Eine einzige Ablehnung eines Kandidaten kann den Arbeitsbeginn der gesamten Kommission weiter verzögern. Die Mühlen mahlen langsam in Straßburg und Brüssel, dazu kommt, dass immer mehr Mitgliedsländer vom gemeinsamen Weg abweichen wollen; Opt-Out-Wünsche beim Migrationspakt, nachträgliche Abkehr von bereits beschlossenen Gesetzen (Verbrenner, Renaturierung, Waldverordnung usw.), Binnengrenzkontrollen... Der Aufstieg der Rechtspopulisten mit ihrem Drang nach mehr Nationalismus und Souveränität, dem auch die Mitte-Parteien nicht mehr völlig abträglich sind, führt in die gegensätzliche Richtung. Die One-Man-Show Trump steht mit gewachsener Machtbefugnis für die Vereinigten Staaten von Amerika, während die Vereinigten Staaten von Europa zur verblassenden Idee werden.
Welche Pläne setzt Trump tatsächlich um?
Die Wiederkehr Donald Trumps hat weltweit Folgen, unklar ist freilich, was von all den erratischen Ankündigungen tatsächlich passiert und wie. Kommen Importzölle? Purer Protektionismus? Steigen die USA völlig aus dem Kampf gegen den Klimawandel aus? Steigt Trump aus der WHO aus? Aus der Nato? Der härteste Schlag könnte die Ukraine treffen und in Konsequenz daraus neuerlich Europa. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte Trump zu dessen „beeindruckendem Wahlsieg“, er schätze in weltpolitischen Fragen Trumps Engagement für den Ansatz „Frieden durch Stärke“. Moskau reagierte verhalten, Putin gratulierte Trump nicht. Wenn die USA die Unterstützung der Ukraine zurückfahren, dann erhöht sich die Last für die europäischen Länder massiv – der „Friedensplan“ Trumps dürfte eine Abtretung der östlichen Gebiete und eine Schwächung und damit Auslieferung ans russische Regime beinhalten.
Weltweit gratulierten Staats- und Regierungschefs dem gewählten Präsidenten und bekräftigten eine gute Zusammenarbeit mit der größten Wirtschafts- und Militärmacht USA, in unterschiedlichen Ausprägungen. „Die EU und die USA sind mehr als nur Verbündete. Wir sind durch eine echte Partnerschaft zwischen unseren Völkern verbunden, die 800 Millionen Bürger vereint“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ratspräsident Charles Michel warnte Trump aber auch vor Regelbrüchen und Alleingängen. „Die EU wird ihren Kurs im Einklang mit ihrer strategischen Agenda als starker, geeinter, wettbewerbsfähiger und souveräner Partner verfolgen und gleichzeitig das regelbasierte multilaterale System verteidigen“, schrieb er. Herzlichere Glückwünsche kamen etwa vom indischen Premierminister Narendra Modi oder vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Und natürlich vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.
Die nahe Zukunft wird zeigen, was Trump in die Tat umsetzt und wie. Europa sollte sich wappnen, wenn es nicht schon zu spät dafür ist.