Die Einleitungsrede hält Magnus Brunner (ÖVP) in geschliffenem Englisch, die Dutzenden Fragen der Abgeordneten beantwortet er dann auf Deutsch. Obwohl das vorgesehene Ressort in der EU-Kommission auch Bereiche wie Antisemitismus, Interpol oder den Kampf gegen den Drogenhandel umfasst, drehen sich die meisten Fragen doch um die Bereiche Asylwesen und Migration. Brunner gibt ausführliche, manchmal zu lange Antworten und bleibt dabei mitunter an der Oberfläche – allerdings kann er auch als Kommissar keine weitreichenden Entscheidungen ohne Abstimmung im Kollegium treffen, die Zurückhaltung in konkreten Sachfragen entspricht der Grundlinie des gelernten Juristen.
Brunner bleibt bei Bekenntnis zu Schengen
Brunner bleibt bei seinem schon vorab gemachten Bekenntnis, Rumänien und Bulgarien möglichst rasch als vollwertiges Schengenmitglied sehen zu wollen und will als Kommissar alsbald einen neuen Vorschlag für ein Rückführungsgesetz machen, man komme um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten nicht herum. Ins Zögern kommt er, als der frühere Frontex-Chef und nunmehrige EU-Abgeordnete (Patrioten) Fabrice Leggeri davon spricht, statt den Zuzug zuzulassen, solle man die Geburtenrate in Europa erhöhen – legale Zuwanderung sei zur Erhaltung unseres Wohlstandes unabdingbar, antwortet Brunner. Außengrenzschutz und die Wahrung der Grundrechte der Menschen seien jedenfalls kein Widerspruch.
Zu den Prioritäten zählt der designierte Kommissar die Umsetzung des beschlossenen Migrationspaktes, zurückhaltend reagiert er auf die Frage, ob die EU nicht noch mehr den Ausbau des Außengrenzschutzes finanzieren solle: Die finanziellen Mittel seien begrenzt, so Brunner, gegen den Bau mit nationalen Mitteln sei nichts einzuwenden. Das „Italienische Modell“ mit einem Lager in einem Drittland (Albanien), das nicht nur rechtlich umstritten ist, sieht Brunner aufgeschlossen: „Ich bin offen gegenüber neuen Ideen.“
Patrioten gegen Magnus Brunner
Er sei kein „Showman“, sagt er an einer Stelle und bekommt Applaus im Saal, als er einer fragenden Abgeordneten zum Geburtstag gratuliert. Auch eine Humor-Attacke des deutschen Satirikers Martin Sonneborn, der auf Österreichs Budgetloch Bezug nimmt, wehrt er geschickt ab und sagt: „Das war jetzt witzig“. Eine extrem ablehnende Wortmeldung kommt ausgerechnet von der österreichischen FPÖ-Abgeordneten Petra Steger, die das zuvor schon im Gespräch mit Journalisten festgehalten hat. „Ihnen fehlt jegliche Kompetenz und Erfahrung“, wirft sie Brunner an den Kopf. Die Patrioten haben längst erklärt, dass sie gegen den Österreicher stimmen wollen.
Die Stimmung im Saal bleibt freundlich, auch wenn danach auf den Gängen vor dem Saal immer wieder der Vorwurf zu hören ist, der Kandidat sei zu glatt und formelhaft gewesen und hätte konkreter argumentieren müssen. Allerdings liegen gerade beim Migrationsthema die Positionen zwischen den linken und rechten Lagern extrem auseinander. Er erkenne den allgemeinen Wunsch nach Lösungen, sagt Brunner im Schlusswort. Am Ende gibt es Applaus; es scheint nicht schlecht gelaufen zu sein. Im Umfeld Brunners rechnet man zunächst damit, dass die nötige Zweidrittelmehrheit im Ausschuss wegen der extrem unterschiedlichen Zugänge nicht zustande kommt. Doch kurz vor Mitternacht kann der Gerade-noch-Finanzminister aufatmen, eine Zweidrittelmehrheit geht sich schon im ersten Anlauf aus. Demnach geben die Fraktionen EVP, S&D, Renew und EKR grünes Licht. Die Grünen sollen sich enthalten haben, während die rechten Fraktionen ESN und „Patrioten für Europa“ sowie die Links-Fraktion offensichtlich gegen den Vorarlberger gestimmt haben.
Reaktionen aus Österreich
„Magnus Brunner ist der richtige Mann zur richtigen Zeit für das Thema Migration und Innere Sicherheit. Das ist eine Schlüsselaufgabe für die kommenden fünf Jahre, um sie europäisch in den Griff zu bekommen. Der Asyl- und Migrationspakt muss so rasch wie möglich umgesetzt werden, dafür braucht Brunner die Mitgliedstaaten. Dabei werden ihm seine Fähigkeiten als Brückenbauer und sein positives Zugehen auf Verhandlungspartner zugutekommen“, kommentiert ÖVP-EU-Delegationsleiter Reinhold Lopatka.
„Ein klares Zugeständnis von Brunner ist, dass das Europäische Parlament bei Abkommen mit Drittstaaten eingebunden werden muss“, so der SPÖ-EU-Abgeordnete Hannes Heide in einem schriftlichen Statement über die Zustimmung seiner sozialdemokratischen S&D-Fraktion. „Seine Strategie war klar, nämlich auf einem sehr rutschigen Terrain nicht auszurutschen.“
„Magnus Brunner betont zwar mehrmals, dass Menschenrechte und Grundrechte nicht verhandelbar sind, widerspricht sich jedoch, indem er sich für schnellere Rückführungen sowie Rückführungshubs und intensivere Kooperation mit Drittstaaten ausspricht“, übt dagegen der Delegationsleiter der österreichischen Grünen, Thomas Waitz, Kritik an Brunner. „Das bedeutet z.B. EU-Geld für Dienste autoritärer Regime, wie die libysche Küstenwache, die nachweislich systematisch Menschenrechte verletzen.“