Weltpolizist, Wirtschaftsmacht oder Klimasünder. Die USA haben viele Gesichter. Kein Wunder, dass die Welt in der Nacht auf Mittwoch gebannt nach Washington blickt, um zu erfahren, ob sich 244 Millionen wahlberechtigte US-Bürger für Kamala Harris oder Donald Trump entschieden haben. Ein Überblick über fünf globale Brennpunkte:
Dauerkrise im Nahen Osten
Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels, ohne die militärische und finanzielle Unterstützung aus Washington könnten die Kriege gegen die Hamas und die Hisbollah nicht im derzeitigen Ausmaß geführt werden. Die USA hätten damit zumindest theoretisch einen Hebel, um Einfluss auf die Regierung in Jerusalem zu nehmen, der scheidende US-Präsident Joe Biden beschränkte sich in den vergangenen Monaten allerdings auf Rhetorik. Die große Frage für die kommenden vier Jahre wird daher vor allem sein, wie die USA mit dem nach Atomwaffen strebenden Iran umgehen und ob es Washington gelingt, den unter Trump angestoßenen Aussöhnungsprozess zwischen Israel und den arabischen Staaten nochmals anzuschieben.
Konfrontation mit China
Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten sehen in China langfristig die größte Herausforderung für die Supermacht USA. Dabei geht es nicht allein um die wirtschaftliche Vormachtstellung im globalen Wettbewerb. Die Regierung in Peking trägt ihre Machtansprüche im für die USA immer wichtiger werdenden Pazifikraum von Jahr zu Jahr aggressiver vor, vor allem in der Straße von Taiwan, das China nur als abtrünnige Provinz betrachtet, lässt die Volksarmee regelmäßig ihre Muskeln spielen. Sollte China seine Ankündigung wahr machen, eine Wiedervereinigung auch mit militärischem Zwang durchzusetzen, droht der Region ein Flächenbrand. Wie weit die USA Taiwan dann militärisch zu Hilfe eilen, wird maßgeblich davon abhängen, wer im Weißen Haus sitzt.
Hilfe für die Ukraine
„Die USA sind der einzige Partner, der in der Lage ist, der Ukraine Munition und Gerät zu liefern, das sie zum Überleben braucht“, sagt der deutsche Militärexperte Gustav Gressel zur Kleinen Zeitung. Und laut Daten des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums braucht die Ukraine auch künftig von beidem viel, um weiterhin den Abwehrkampf gegen Russland fortsetzen zu können. Seit Kriegsbeginn haben die USA 60,4 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Unklar ist nun, wie das Schicksal der Ukraine weitergeht, und zwar unabhängig vom Ausgang der Wahlen. In den letzten Wochen und Monaten hat die russische Armee mehrere Vorstöße geschafft. Gressel meint: „Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit – egal ob Donald Trump oder Kamala Harris gewinnt – denn die Lage in der Ukraine ist vor dem Winter angespannt und eine Formierung einer neuen Militärstrategie innerhalb einer neuen Regierung nimmt unabhängig von der Person an der Spitze viel Zeit in Anspruch.“
Wirtschaftliche Macht
Im Jahr 2023 exportierten die USA Waren und Dienstleistungen im Wert von 2,85 Billionen Euro und importierten Waren und Dienstleistungen im Wert von 3,55 Billionen Euro. „Unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, können wir davon ausgehen, dass die USA auch weiterhin eine protektionistische Handelspolitik verfolgen werden“, sagt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Gabriel Felbermayr. Trumps „America first“-Versprechen wird über die Parteigrenzen akzeptiert. Sowohl der Republikaner als auch die Demokratin Harris haben in ihrem Programm dargelegt, dass sie Zölle als mögliches Mittel ihrer Handelspolitik einsetzen würden. Während Jobs in den Vereinigten Staaten dadurch gesichert werden sollen, könnten laut Daten des WIFO und des Kieler Instituts für Weltwirtschaft andere Märkte - so auch jene in Europa - darunter leiden.
Rolle beim Klimaschutz
Die USA sind derzeit nach China der weltgrößte Klimasünder, gleichzeitig gehören die Vereinigten Staaten aber auch zu den größten Financiers der internationalen Klimaschutzbemühungen. Wenn es gelingen soll, die globale Erwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen, wird es vor allem auf darauf ankommen, dass die USA und China kooperieren. In den vergangenen Jahren war der Klimaschutz eines der wenigen Themen, bei denen die beiden rivalisierenden Großmächte noch eine intakte Gesprächsbasis hatten.