Fast könnte man es ein Glück für Magnus Brunner nennen: Als er am Dienstag im EU-Parlament zum Hearing antrat, das final über seinen zukünftigen Posten als EU-Kommissar entscheidet, dann ist es nur ein einziger Ausschuss mit dem freundlichen Namen „LIBE“ (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres), der für den Österreicher zuständig ist. Der Entwicklungsausschuss ist als Gast dabei. Zum Vergleich: Der Franzose Stéfane Séjourné, der als einer der Exekutiv-Vizepräsidenten vorgesehen ist, wird von vier ordentlichen und weiteren vier Gast-Ausschüssen in die Mangel genommen.

Dem Vernehmen nach hat sich Brunner akribisch vorbereitet und zählt vorab nicht zur Gruppe der Wackelkandidaten, doch das heikle Dossier „Migration und Inneres“ gehört zu den heißen Eisen und ist zum Teil sogar innerhalb der Fraktionen umstritten, es könnte also alles andere als einfach werden. Für Brunner Neuland: Bis zum letzten Augenblick, heißt es in Brüssel, habe er mit einem Ressort gerechnet, das mit Finanzwesen zu tun habe und sich bereits mit zahlreichen Menschen aus diesem Umfeld vernetzt, auch mögliche Mitarbeiter bereits selektiert. Nun muss sich der designierte Migrationskommissar mit Experten aus einem völlig anderen Gebiet umgeben.

„Patrioten“ stimmen gegen Brunner

Brunner dürfte neben der Stimmen aus der eigenen konservativen EVP-Fraktion auch auf jene der Sozialdemokraten und Liberalen zählen dürfen, da diese zum Durchbringen ihrer eigenen Kandidaten auf die EVP-Stimmen angewiesen sind. Zusätzlich bedarf Brunner aber auch der Stimmen der Grünen oder der rechten EKR-Fraktion. Die Fraktionen im EU-Parlament halten sich mehrheitlich bedeckt, wie sie abstimmen wollen. Die Fraktion „Patrioten für Europa“ wird laut einem FPÖ-Sprecher geschlossen gegen Brunner stimmen. FPÖ-Abgeordnete Petra Steger, Mitglied im LIBE-Ausschuss, erklärte in einer Aussendung, Brunner sei „nicht der Kandidat, der die Interessen der Bürger im Bereich Migration und innerer Sicherheit vertreten wird. Dazu mangelt es ihm sowohl an Erfahrung als auch an Kompetenz, die beide für dieses Schlüsselressort unerlässlich sind.“

An sich geht man davon aus, dass das EU-Parlament die gesamte Kommission nicht blockieren wird, um nicht der Grund für eine weitere Verzögerung zu sein. Doch hinter den Kulissen gibt es heftige Kontroversen vor allem um die spanische Kandidatin Teresa Ribera Rodriguez und den Italiener Raffaele Fitto von Giorgia Melonis postfaschistischer Partei Fratelli d‘Italia. Beide sind ebenfalls als Vizepräsidenten vorgeschlagen, sollte Fitto wegen seiner rechtslastigen Herkunft abgelehnt werden, könnte Ribera im Gegenzug dasselbe passieren. Umstritten sind unter anderem auch Oliver Varhelyi (Ungarn) und Marta Kos (Slowenien).