Bruce Springsteen möchte eine Meldung über ihn korrigieren. „Ich bin kein Milliardär“, sagt er, obwohl das Wirtschaftsmagazin Forbes Anfang des Jahres genau das berichtete. „Ich wünschte, ich wäre es, aber da haben sie sich gründlich geirrt. Ich habe zu viel Geld für überflüssige Dinge ausgegeben.“
Der Boss grinst. Nachdem man auf die harte Tour aufgestiegen ist, all die Jahre auf der Straße, auf Matratzen auf Betonböden, in Vans, am Strand geschlafen hat, sollte man die Vorzüge genießen, die mit dem Reichsein kommen, sagt er, denn „man hat ja ordentlich Arbeit reingesteckt.“ Allerdings, wenn man nur das Geld im Fokus hat, „geht es meistens bergab“. Für Springsteen war es das Wichtigste, sein Talent zu nutzen. „Wenn ich mit der Musik versagt hätte, hätte ich meiner Meinung nach bei allem versagt“.
Die guten alten Zeiten
Hat er nicht. Springsteen ist nach wie vor einer der größten Rockstars der Welt, mit einer Anziehungskraft, die sich im Laufe der Zeit nicht verändert hat. Wir treffen uns in einem Hotel im Londoner West End, in dem in der Lobby ein Schild hängt: „Jimi Hendrix lebte hier 1968-1969“. Und nun stehe ich in einem protzigen Zimmer einem weiteren Unsterblichen des Rock gegenüber, der kürzlich 75 Jahre alt geworden ist. Elegantes blaues Jackett, weißes Hemd, Ohrringe, das Haar nach hinten gegelt. Springsteen wird flankiert von seinem langjährigen Freund, Manager und Produzenten Jon Landau, und von Regisseur Thom Zimny, der seit dem Konzertfilm „Bruce Springsteen & The E Street Band: Live in New York City“ von 2001 mit dem „Boss“ zusammenarbeitet.
Gemeinsam haben sie einen neuen Film für Disney gedreht, „Road Diary“, der das Zusammentreffen von Springsteen und der E Street Band für ihre Konzerttournee im Jahr 2023 dokumentiert. Das war zweieinhalb Jahre, nachdem die Musik des emotional starken Albums „Letter to You“, das den Höhepunkt der Karriere des Sängers darstellt, durch die Covid-Pandemie nur aus den Boxen und nicht auf Bühnen überzeugen konnte. „Es verändert einen Song, wenn man ihn vor einem Live-Publikum spielt“, sagt Springsteen. „Dafür bezahlen die Leute. Sie wollen es live sehen.“
Wie das Album, ist auch der Film eine Meditation über den Lauf des Lebens, gepaart mit der Nostalgie im Blick auf die guten alten Zeiten. Beides steht in „Road Diary“ Seite an Seite. Es gibt wundervolles Archivmaterial und klassische Neuinterpretationen von Songs wie „Tenth Avenue Freeze-Out“ aus dem Durchbruchsalbum „Born to Run“ von 1975 zu sehen, aber es geht auch explizit um das Altern und die Sterblichkeit. Springsteens Ehefrau Patti Scialfa, Mutter ihrer drei Kinder und seit 40 Jahren Sängerin der E Street Band, spricht direkt in die Kamera über ihre Diagnose Myelom im Frühstadium, eine Form von Blutplasmakrebs, die sie daran hindert, jeden Abend auf der Bühne zu stehen.
„Es ist eine sehr schwere Krankheit“, sagt Springsteen. „Patti hat sie seit etwa sechs Jahren. Sie ist eine echte Kämpferin, aber jetzt ermüdet sie sehr stark. Und die Erkrankung des Knochenmarks verursacht auch Folgeschäden. Sie braucht eine neue Schulter und eine neue Hüfte. Es ist also sehr schwierig für sie. Patti hat das wunderbar gemeistert, und wenn sie nicht wäre, könnten wir nicht auf Tournee sein und wären es auch nicht. Patti und ich planen alles gemeinsam, immer auch mit Rücksicht auf die Familie, und dann denken wir natürlich auch an die Fans und die Musik. Aber ihre Gesundheit und das, womit sie zu kämpfen hat, haben für mich oberste Priorität.“
„Wir haben alle mit Problemen gekämpft“
Wir kommen auf Liam Payne zu sprechen, den Sänger der Band One Direction, der kürzlich mit erst 31 Jahren verstarb. „Das ist in unserer Branche leider nichts Ungewöhnliches“, bedauert Springsteen. „Es ist ein Geschäft, das enormen Druck auf junge Leute ausübt. Die haben oft noch nicht die Fähigkeit oder das Selbstbewusstsein, sich vor den gefährlichen Dingen zu schützen, die mit Erfolg und Ruhm einhergehen. Also verlieren sie sich in Drogen oder Alkohol, um etwas von diesem Druck abzubauen. „Ich verstehe das sehr gut, denn ich habe selbst mit verschiedenen Dingen gerungen.“
In seiner großartigen, poetischen Autobiografie „Born to Run“ (2016) spricht Springsteen freimütig über das „große schwarze Meer“ der Depression und den Druck der Paparazzi, der mit dem großen Ruhm stieg, nachdem ihn das Album „Born in the USA“ 1984 in die Stratosphäre befördert hatte.
„Wir alle haben mit Problemen gekämpft“, sagt er. „Drogen waren in der E Street Band keine Seltenheit. Es gab jedoch eine Grenze: Ich hielt mich zwar aus den Angelegenheiten der anderen heraus, aber wenn ich auf der Bühne sah, dass der eine oder der andere nicht er selbst war, dann bekam er ein Problem. Ich sehe es so: Wenn einer deiner Freunde stirbt, ist es gut, sagen zu können, er starb eines natürlichen Todes.“
Die Gefahr des Donald Trump
Der Film „Road Diary“ fängt das erstaunliche Gefühl der Verbundenheit von Springsteen mit seinen Fans ein. Dieses Gemeinschaftsgefühl steht in krassem Gegensatz zu den enormen Spaltungen im heutigen Amerika. Springsteen unterstützt Kamala Harris bei den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen und hat Donald Trump in einem Video als „den gefährlichsten Präsidentschaftskandidaten meines Lebens“ bezeichnet.
Wie besorgt ist er über die Möglichkeit, dass Trump gewinnt? „Einerseits bin ich nicht so besorgt, weil ich glaube, dass Kamala Harris gewinnen wird“, sagt er, „aber natürlich kann ich mich auch irren. Ich glaube, dass in den USA eine enorme Angst herrscht, die Dinge zu verlieren, die uns am Herzen liegen - die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die friedliche Machtübergabe. Und Trump ist ein Mensch, der sich für nichts von alledem einsetzt. Er ist ein Aufrührer. Er hat ja das letzte Mal einen Putsch gegen die Regierung der Vereinigten Staaten angeführt, also sollte man ihn auf keinen Fall nochmals auch nur in die Nähe des Präsidentenamtes lassen.“
Springsteens Manager Landau beschreibt Trumps Botschaft als das Gegenteil von Barack Obamas Ziele, „diametral, buchstäblich, Zeile für Zeile“. „Ganz zu schweigen davon, dass er geisteskrank ist“, wirft Springsteen ein. „Allein, als er zuletzt in Pennsylvania 40 Minuten lang zu eingespielter Musik nur schunkelte und wippte, statt zu reden! Ich meine, zu Musik zu schunkeln, das ist mein Job.“ Er sei wirklich besorgt, betont der Boss nochmals, und sehe eine der folgenreichsten Wahlen in der Geschichte der USA: „Werden Sie ruhig schlafen, wenn Sie wissen, dass Donald Trump die nuklearen Codes erhalten hat? Nein. Niemand wird das.“
Chris Harvey