Mit der Wahl der früheren Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch zur neuen Parteichefin der britischen Konservativen haben die Tories am Wochenende ihren lang erwarteten Führungswechsel vollzogen. Badenoch hat damit den bisherigen Vorsitzenden, Ex-Premier Rishi Sunak, im Amt abgelöst, der im Juli auf spektakuläre Weise die Unterhauswahlen verlor.

Die 44-jährige Politikerin wird nun die Opposition in Westminster anführen. Sie siegte in der Stichwahl der Parteimitgliedschaft über ihren Rivalen, den ehemaligen Einwanderungs-Staatssekretär Robert Jenrick, mit 56 Prozent der abgegebenen Stimmen. Viele moderate Tories weigerten sich allerdings, an der Wahl überhaupt teilzunehmen, weil Badenoch und Jenrick gleichermaßen radikale Positionen auf dem rechten Flügel der Partei repräsentieren.

Rechte Positionen

Beide verlangen zum Beispiel schärfere Grenzkontrollen, die Deportation unerwünschter Flüchtlinge nach Ruanda, den steten Abbau von Sozialleistungen und die Einschränkung neuer Maßnahmen gegen den Klimawandel. Sie gehen davon aus, dass die Tories nur durch nationalkonservative Rhetorik und demonstrative Härte Wähler zurückgewinnen können, die ihre Partei bei den jüngsten Wahlen an Nigel Farages Rechtspopulisten, die neu erstarkte Reform-Partei, verloren hat.

Kemi Badenoch insbesondere hat sich profiliert im „Kulturkampf“ um Geschlechter-Identität, also im Einsatz gegen Transgender-Rechte. Solche Rechte bewirkten „eine schleichende Vergiftung unserer Gesellschaft“, hat sie erklärt. Sie streitet zugleich ab, dass sich der Reichtum des Vereinigten Königreichs zu einem Großteil aus Sklavenhandel, Kolonialismus oder „weißer Vorherrschaft“ herleitet. Dass Leute in diesem Zusammenhang immer nur von „Ausbeutung“ und „Unterdrückung“ reden, finde sie besorgniserregend, sagte sie.

Aufgewachsen in Nigeria und den USA

Diese Bemerkungen haben umso mehr Aufmerksamkeit erregt, als Badenoch die erste schwarze Person ist, die je an die Spitze einer britischen Partei gewählt wurde. Immerhin, meinte sie zu dieser Tatsache, habe ihre glücklicherweise „farbenblinde“ Partei ja auch mit Margaret Thatcher schon die erste Frau an die Spitze gewählt, und mit Rishi Sunak den ersten Vertreter einer ethnischen Minderheit.

1980 als Olukemi Adegoke im Süd-Londoner Stadtteil Wimbledon geboren, verbrachte Badenoch ihre Kindheit und Jugend in mittelstädtischen Verhältnissen in Nigeria und in den USA. Als politische und wirtschaftliche Tumulte die Basis ihrer Familie in Lagos zerstörten, wurde sie im Alter von 16 Jahren zu Freunden ihrer Mutter zurück nach England geschickt.

Von McDonald’s ins Unterhaus

Dort arbeitete sie zunächst bei McDonald’s, um sich das Leben bis zum Schulabschluss und danach ein Studium finanzieren zu können. Sie sei „in Großbritannien ärmer gewesen als in Afrika“, habe sich aber „mit harter Arbeit und Selbstdisziplin“ über Wasser gehalten, berichteten Bekannte von ihr.

Nach der Uni war sie als Finanzberaterin tätig, bevor sie 2017 für die Konservativen ins Unterhaus gewählt wurde. Von da an machte sie schnell Karriere in der Politik. Als sie vor zwei Jahren, nach Boris Johnsons erzwungenem Abgang, erstmals zum Parteivorsitz kandidierte, war sie noch relativ unbekannt und landete auf Platz vier am Ende. Dieses Mal, nach ihrer Zeit als Sunaks Wirtschaftsministerin, schaffte sie dagegen den Sprung auf Platz eins.

Nicht allen Tories gefällt freilich Badenochs „direkte Art“, die ihre Anhänger so beeindruckt. Und in der Gesamtbevölkerung genießt die neue Tory-Chefin bisher relativ wenig Sympathie. Dass sie sich leicht zu unbedachten Äußerungen hinreißen lässt und schnell zu Streit und Konfrontation neigt, hat ihr schon einige Kritik (und den Spottnamen „Kemikaze“) eingebracht.

Polemische Art

Einzelne ihrer Äußerungen haben im Vorfeld ihrer Wahl sogar regelrechte Aufregung ausgelöst – wie die, dass der britische Mindestlohn und das Mutterschaftsgeld viel zu großzügig bemessen seien. Das Ganze sei „eine allzu große Belastung für Geschäftsinhaber“, hat sie erklärt.

Ein andermal meinte sie ungehalten, fünf bis zehn Prozent aller Staatsbeamten seien derart üble Charaktere, dass sie eigentlich „ins Gefängnis gehörten“. Migranten, die sich nicht an „westlichen Werten“ orientierten, müsse man sich grundsätzlich vom Leibe halten, denn „nicht alle Kulturen“ seien „gleich wertvoll“ fürs Vereinigte Königreich.

Und während sie den Klimawandel nicht leugne, sei sie gegen übereilte Maßnahmen, meinte sie: Es habe ja keinen Sinn, als erste Nation irgendwelche Klimaziele zu erreichen, „wenn man dadurch vor allen anderen Staaten schon bankrott ist“.