Eines ist klar: Mit fortschreitendem Klimawandel und anhaltender Umweltverschmutzung geht es den Arten – egal, ob Tier und Pflanze – weltweit doppelt an den Kragen: Daran ändert vermutlich auch die nun in Cali (Kolumbien) zu Ende gehende UNO-Artenschutzkonferenz COP16 (zu) wenig. Vertreter der 196 Unterzeichnerstaaten des Weltnaturabkommens (GBF) kamen erstmals zusammen, um zu klären, ob genügend Fortschritte gemacht werden, um die Ziele des GBF bis 2030 zu erreichen. Die Fronten: verhärtet.

UNO-Chef António Guterres mahnte, dass durch die Menschheit bereits drei Viertel der Landflächen der Erde und zwei Drittel der Gewässer beeinträchtigt sind: „Das Überleben der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten – und unser eigenes – stehen auf dem Spiel“. WWF-Biodiversitätssprecher Joschka Brangs im Interview: „Wir erwarten uns, dass auf die Dringlichkeit der zu erstellenden oder zu überarbeitenden nationalen Biodiversitäts- und Aktionspläne hingewiesen wird und alle Staaten aufgefordert werden, diese zeitnah fertigzustellen.“

Der Knackpunkt: 2022 hatten sich in Montreal rund 200 Staaten verpflichtet, eigentlich mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Bislang sind es gerade einmal 17,6 Prozent bzw. 8,4 Prozent. Viel ging bis zuletzt nicht weiter – die Verhandlungen auf der COP16 seien „komplex, weil über 20 Agendapunkte parallel verhandelt werden, die oftmals auch eng miteinander verbunden sind“, erklärt Brangs. Die Klima- und die Biodiversitätskrise lassen sich nur gemeinsam lösen, das scheint klar.

Das heimische Ziesel wird als “stark gefährdet” gesehen
Das heimische Ziesel wird als “stark gefährdet” gesehen © IMAGO

Die Zahlen bzw. Verluste sind dramatisch: Laut Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES) sind etwa eine Million Arten gefährdet. Insekten und Vögel, die Pflanzen bestäuben, gelten als besonders bedroht. Sie sichern die Vermehrung von Pflanzen und erhalten einen Großteil der für die Ernährung der Menschheit wichtigen Gewächse. Laut „vorsichtiger“ Schätzung werden etwa zehn Prozent der vom Aussterben bedrohten Insektenarten, also etwa 600.000, dauerhaft verschwinden. Die Wildtierpopulationen sind seit 1970 um durchschnittlich 69 Prozent zurückgegangen. Tiere, die weite Strecken zurücklegen müssen, leiden besonders stark, zumal ihre Routen immer öfter zerschnitten oder gestört werden.

Greenpeace-Aktivisten setzen im Umfeld der COP16 ein riesiges Artenschutz-Puzzle zusammen
Greenpeace-Aktivisten setzen im Umfeld der COP16 ein riesiges Artenschutz-Puzzle zusammen © AFP

Greenpeace-Artenschutzexpertin Ursula Bittner: „Wir fordern, dass die Finanzierungslücke im Naturschutz dringend geschlossen wird und sich die Verhandler nicht von falschen Lösungen, wie Biodiversitätskompensationen, ablenken lassen. Zudem muss ein direkter Zugang zu finanziellen Mitteln für Indigene und lokale Gemeinschaften geschaffen werden.“ Die Staatengemeinschaft muss ihre Zusage einhalten, ab 2025 mindestens 20 Milliarden US-Dollar jährlich die Finanzierung von Naturschutz und Wiederherstellung im Globalen Süden bereitzustellen und bis 2030 auf 30 Milliarden Dollar zu erhöhen. Weltweit sollen ab 2030 sogar 200 Milliarden Dollar pro Jahr für Biodiversität mobilisiert werden – davon sollen 30 Milliarden von reichen an ärmere Staaten fließen.

„Auch in Europa und insbesondere in Österreich reichen die bisherigen Maßnahmen oft nicht aus, um den Verlust der Biodiversität einzubremsen“, betont Bittner. Zerstörung von Lebensräumen, übermäßiger Ressourcenabbau und -verbrauch, Klimawandel, Umweltverschmutzung und Verbreitung invasiver Arten halten sowohl UNO als auch WWF-Experte Brangs für die fünf Hauptgründe der Biodiversitätskrise: „Und alle fünf sind menschengemacht!“

Gestern standen wegen Streitigkeiten um die Finanzierung sowohl ein Scheitern als auch eine Verlängerung der COP16 im Raum. Die Uhr tickt weiter.