Der Skandal um den illegalen Zugang auf staatliche Datenbanken in Italien zieht Kreise. Seit rund zwei Jahren ermitteln die Staatsanwaltschaft Mailand sowie die Antimafia-Ermittlungsbehörde gegen ein Netzwerk von Männern, die illegal Informationen aus Datenbanken einholen ließen und diese an Privatleute weiterverkauften. Am Wochenende wurden mehrere Firmen durchsucht. Opfer des Datendiebstahls sind unter anderem Politiker und Unternehmer. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni brandmarkte ein „System der Erpressung“. Außenminister Antonio Tajani sprach von einer „Bedrohung der Demokratie“.

Eine Firma steht im Zentrum des Skandals

Im Zentrum des Skandals steht die Mailänder Firma Equalize. Eigentümer sind Enrico Pazzali, Präsident der Mailänder Messe-Stiftung, sowie der einflussreiche Ex-Polizist und Antimafia-Ermittler Carmine Gallo. Nach Angaben der Ermittler nutzte Pazzali den unerlaubten Datenzugriff auch für persönliche Zwecke, etwa um Einfluss in der Politik zu nehmen. Gallo soll mit seinen Kontakten zur Polizei das Netzwerk in Betrieb gehalten haben. Verwickelt sind Beamte der Finanzpolizei, der Grenzpolizei, der Carabinieri sowie der Staatspolizei. Für Equalize tätigten die Beamten alleine fast 53.000 unerlaubte Zugriffe auf eine geschützte Datenbank des Innenministeriums. Insgesamt ermitteln die Strafverfolger gegen mehr als 60 Personen. Sie stellten rund 800.000 Datensätze und Material in einem Umfang von 15 Terabyte sicher.

Im Visier der Staatsanwaltschaft steht auch der Informatik-Spezialist Carmine Calamucci. Im Auftrag von Equalize hackte er beispielsweise Smartphones. Nach eigenen Angaben will er sogar eine E-Mail des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella gehackt haben. Neben solchen individuellen Zugriffen soll der Schwerpunkt des Netzwerks auf der Abfrage von Informationen in staatlichen und polizeilichen Datenbanken gelegen haben. Dort wurden vertrauliche Informationen etwa über Strafverfahren und Vorstrafen, Einkommen, Sozialabgaben, Gesundheitsdaten sowie Hinweise auf Steuerhinterziehung abgefragt.

Die Firma Equalize, die 2023 einen Jahresumsatz von rund 1,8 Millionen Euro machte, bot sich privaten Kunden für ihre Dienste an, die menschliche Abgründe, aber auch wirtschaftliche und politische Interessen betrafen. So ließ etwa eine eifersüchtige Mailänder Richterin Informationen über ihren Ehemann abfragen. Ein Erbe der Brillen-Dynastie Luxottica holte während Erb-Auseinandersetzungen bei Equalize Informationen über seine Geschwister ein. Der Schwager des Sängers Alex Britti ließ anlässlich der Trennung den Noch-Ehemann seiner eigenen Tochter durchleuchten.

Opfer wurden aber auch Politiker. Pazzali soll 2022 etwa private Informationen über Mitarbeiter der Politikerin Letizia Moratti eingeholt haben, um seinen Freund Attilio Fontana im Wahlkampf um das Amt des Regionalpräsidenten der Lombardei zu unterstützen. Die Ermittler sprechen von „nötigenden und erpresserischen Zwecken“. Auch der Präsident des Senats, Ignazio La Russa und sein Sohn Geronimo sowie Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi, sollen Opfer der Ausspähungen geworden sein. Pazzali intrigierte mit Informationen auch gegen einen Berater, der in den Stab von Ministerpräsidentin Meloni berufen werden sollte.

Keine Erkenntnisse über Erpressungen

Erkenntnisse über daraus erfolgte Erpressungen gibt es allerdings bislang nicht. Ausgespäht wurden etwa auch der frühere Geschäftsführer des Energiekonzerns Eni, Paolo Scaroni, Banker und Journalisten oder ausländische Investoren. So wendeten sich beispielsweise auch Firmen an Equalize. Der Energiekonzern Erg ließ Mitarbeiter überwachen, die des insider tradings verdächtigt wurden. Der Lebensmittelhersteller Barilla spionierte mithilfe der illegal abgegriffenen Daten Angestellte aus, die verdächtigt wurden, Informationen an die Presse weiter gegeben zu haben.

Der Datenbank-Skandal reiht sich ein in ähnlich gelagerte Fälle in Italien, die das Vertrauen in die Institutionen beschädigen. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Perugia gegen einen Finanzpolizisten und einen ehemaligen Staatsanwalt. Beide sollen mehr als 200 000 Dokumente aus der Datenbank der nationalen Antimafia-Behörde heruntergeladen und auf diese Weise ebenfalls Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens ausspioniert haben.