Eine 45-minütige Autofahrt reicht, um politisch in eine andere Welt einzutauchen. Auf der Strecke von der 300.000-Einwohnerstadt Pittsburgh in die Kleinstadt Butler dünnt sich die Zahl der „Harris-Walz“-Schilder in den Vorgärten allmählich aus, während die Werbung für Donald Trump und seinen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance nicht mehr zu übersehen ist. Dieser Weg durch Pennsylvania steht exemplarisch für die Unberechenbarkeit von Swing States.

Pennsylvania als wichtiger Baustein

Mit seinen 19 Wahlmännerstimmen wird der Ostküstenstaat die Präsidentschaftswahl am 5. November maßgeblich mitentscheiden. In den großen Städten wie Pittsburgh und Philadelphia hat Harris leichtes Spiel, ist beliebt, geschätzt und favorisiert. Doch entlang der Laubwälder und sanften Hügel ändert sich der Staat. Butler ist republikanisches Kernland. Obwohl im Juli 2024 hier auf Trump geschossen wurde, fühlt er sich hier bei einem neuerlichen Auftritt im Oktober wie ein Fisch im Wasser. Unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen wurde der Republikaner von seinen Anhängern wie ein Held und Märtyrer gefeiert.

Donald Trump und Elon Musk  | Donald Trump kehrte mit Elon Musk im Oktober zurück nach Butler in den umkämpften Swing State Pennsylvania
Donald Trump und Elon Musk
| Donald Trump kehrte mit Elon Musk im Oktober zurück nach Butler in den umkämpften Swing State Pennsylvania © AFP / Jim Watson

Harris braucht Pennsylvania als Absicherung der „blue wall“ - einer Ansammlung der Bundesstaaten im Nordosten, um die notwendigen 270 Wahlmännerstimmen für eine Präsidentschaft zu sammeln. Umfragen weisen derzeit auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Es ist eine Neuauflage der Ausgangslage von 2020. Trump fehlten damals zwar sieben Millionen Stimmen auf Joe Biden bundesweit, für einen Wahlsieg hätten jedoch rund 112.000 Stimmen in Pennsylvania, Arizona und Wisconsin gereicht. „Entscheidend für die Färbung von Pennsylvania wird die Mitte des Landes, wo viele bürgerlich-konservative Wähler wohnen, die Trump aber für zu rechts halten, aber sich nur schwer von den Demokraten überzeugen lassen“, erklärt der Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg.

Wählermobilisierung ist ein Grund, wieso die Swing States einmal republikanisch rot und dann demokratisch blau wählen. Andere sind demografische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen. Im Wahlkampf werden weder Kosten, Mühen noch Widersprüche gescheut. „In Pennsylvania muss Harris den dort stärker verwurzelten Juden eine starke Israel-Unterstützung zusichern, während Moslems in Michigan mehr Sensibilität mit den Palästinensern erwarten“, sagt Heinisch. Ein schwieriger Spagat, bei dem die Harris-Kampagne befürchtet, dass die blue wall bricht. „Es gibt die Überlegung, dass Michigan oder Wisconsin abfallen könnten“, sagte ein hochrangiger Harris-Kampagnenvertreter gegenüber NBC. Auch andere Mitstreiter äußerten große Sorge. 

Michigan: Zwischen Abstieg und Mobilmachung

Trump versucht Michigan, wo er 2016 als erster Republikaner seit George H. Bush 1988 die „blue wall“ durchbrochen hat, mit seinem altbewährten Narrativ des sozialen Abstiegs für sich zu gewinnen. Die Fakten geben ihm dabei recht. Detroit, einst stolze Autostadt im Bundesstaat an der Grenze zu Kanada, hat seine besten Jahre hinter sich. Die Scheiben der leeren Fabriken von General Motors sind eingeschlagen, unkreative Graffitis, die allmählich verblassen, zieren die Wände. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten rund 1,85 Millionen Menschen in der Stadt, heute ist es rund ein Drittel. Dass Trumps Unterstützer Elon Musk hier und in den anderen Swing States bis zur Wahl täglich eine Million Dollar verschenken will, erregt Aufmerksamkeit.

Aufgegeben hat Harris im Staat, der 16 Wahlmänner ins Electoral College schickt, noch lange nicht. „Wir wollen unbedingt in Michigan gewinnen“, sagte Lauren Hitt, Sprecherin der Harris-Kampagne. 2020 gewannen die Demokraten mit Joe Biden den Industriestaat auch wegen der schwarzen Bevölkerung zurück. Eine Gruppe, bei der sich Wahlkampf jedenfalls noch lohnt. „Neun von zehn Schwarzen geben an, die Demokraten zu wählen, doch nur einer von zehn Schwarzen geht dann oft wirklich zur Wahl“, sagt Heinsich. Um sie zur Wahl zu bringen, klingelt sich die Harris-Kampagne durch große Wohnblocks. Weil es in den USA kein einheitliches Melderegister gibt, müssen sich Wähler vor einer Wahl registrieren. Ein zusätzlicher Behördenweg, der oft vergessen wird und an den die Demokraten nun intensiv erinnern wollen.

Podcast zum Thema: Warum sind die Swing States so unberechenbar?

Sollte Harris in Michigan doch verlieren, wird es schwierig, aber nicht unmöglich, das Weiße Haus zu gewinnen. Auch, weil demografische Entwicklungen zuletzt andere Staaten umfärbten. Georgia inmitten des ultrakonservativen Bibelgürtels, mit 16 Wahlmännerstimmen ist nicht mehr republikanisch gesetzt. „Junge Liberale, die im Norden wohnten, haben den wirtschaftlichen Aufschwung rund um die Hauptstadt Atlanta registriert und sind hierhergezogen“, sagt Heinisch. 2020 färbte sich der Staat erstmals seit 1992 demokratisch blau. In Kombination mit North Carolina - zuletzt in Trumps Hand - und Arizona - 2020 von Biden gewonnen - würde sich so ein anderer Bauplan der „blue wall“ ergeben. Das wäre dann politisch eine andere Welt.