Zunächst war es nur ein Foto, das am Donnerstagabend in den sozialen Medien kursierte: Auf der Aufnahme ist der staubbedeckte Körper eines Mannes mit einer schweren Kopfverletzung zu sehen, rund um ihn liegen Schutt und Trümmer eines eingestürzten Hauses. Der Tote gleicht Hamas-Chef Yahya Sinwar, doch die israelische Armee will zunächst noch nichts bestätigen. In den entsprechenden Mitteilungen, die herausgegeben werden, heißt es lediglich, dass bei einem Einsatz drei Terroristen eliminiert wurden.
„Wurde von IDF-Soldaten getötet“
Doch dann das offizielle Statement des israelischen Außenministers Israel Katz: „Der Massenmörder Yahya Sinwar, der für das Massaker und die Gräueltaten vom 7. Oktober verantwortlich war, wurde heute von IDF-Soldaten getötet.“ Der 62-Jährige soll nicht bei einem gezielten Einsatz gestorben sein, sondern bei einem zufälligen Gefecht mit israelischen Infanteriesoldaten. Premier Benjamin Netanyahu las aus Sinwars Tod „den Niedergang der Herrschaft des Bösen von Hamas“ im Gazastreifen ab. Sein Tod sei Gelegenheit für die „Einwohner des Gazastreifens, sich von ihrer Unterdrückungsherrschaft zu befreien.“
Für Israel ist die erfolgreiche Ausschaltung Sinwars jedenfalls ein massiver Erfolg: Der im Flüchtlingslager Chan Yunis geborene Hamas-Chef gilt als der Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023.: Hunderte Kämpfer der Hamas und verbündeter islamistischer Palästinensergruppen hatten vor etwas mehr als einem Jahr in mehreren südisraelischen Ortschaften, auf dem Nova-Musikfestival und im Gazastreifen 1205 Menschen getötet.
Sinwar gehörte zur Gründergeneration der Hamas, die sich während der ersten Intifada Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung formierte. Sinwar war in dieser Zeit am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt, zu seinen Aufgaben zählte aber auch der Kampf gegen mutmaßliche Kollaborateure in den eigenen Reihen. Dabei ging er so brutal vor, dass er als „Schlächter von Chan Yunis“ bekannt wurde.
Studium in jahrzehntelanger Haft
Wegen des Mordes an vier mutmaßlichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten wurde Sinwar 1988 von Israel verurteilt. Er verbrachte mehr als zwei Jahrzehnte in Haft. Die Zeit nutzte er, um Hebräisch zu lernen und den Feind zu studieren. Er las über prominente israelische Persönlichkeiten, darunter die Ex-Regierungschefs Menachem Begin und Yitzhak Rabin.
2011 kam Sinwar frei - als einer von mehr als 1000 palästinensischen Häftlingen im Austausch für den israelischen Soldaten Gilad Shalit. 2017 wurde er Hamas-Chef im Gazastreifen, als solcher zeigte er sich unerbittlich und kompromisslos. Sinwars übergeordnetes Ziel blieb die Zerstörung Israels.