Obwohl heuer im Frühjahr ein umfassender Migrationspakt von den EU-Ländern beschlossen wurde, der 2026 in Kraft treten soll, kommt nun plötzlich eine neue Dynamik in der Migrationsfrage auf – ausgelöst wohl durch die zunehmenden Einzelgänge von Mitgliedsländern. Wie berichtet, wollen etwa die Niederlande ein Opt-out vom Pakt, Polen will die Asylregeln vorübergehend völlig aussetzen, Italien nimmt ein Aufnahmezentrum außerhalb der EU in Albanien in Betrieb. Morgen und übermorgen findet in Brüssel der reguläre Herbstgipfel statt und im Zuge dieser Entwicklungen ist neuerlich die Migration das alles überlagernde Thema.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ am Montagabend aufhorchen, als sie in dem Brief, den sie regelmäßig vor einem Gipfel an die Staats- und Regierungschefs schickt, von einem neuen Gesetzesvorschlag zur Rückführung abgelehnter Asylwerber schrieb. Wörtlich heißt es in dem Schreiben, der Entwurf enthalte „klare Verpflichtungen zur Zusammenarbeit für rückgeführte Personen“ und solle den Rückführungsprozess effizienter und schneller machen, etwa durch eine Digitalisierung der Fallbearbeitung und die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen. Die Ausarbeitung des Vorschlages werde eine der „sofortigen Aufgaben“ für den Migrationskommissar sein – und damit für Österreichs Noch-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der den heiklen Posten in der künftigen EU-Kommission noch heuer übernehmen soll.
Nur ein Fünftel kehrt tatsächlich zurück
Die Migrationspolitik der EU könne nur nachhaltig sein, wenn „die, die kein Bleiberecht haben, auch tatsächlich zurückgeschickt werden“ steht weiters in dem Brief, der auch der Kleinen Zeitung vorliegt. Nur ein Fünftel der zur Ausreise aufgeforderten Menschen würden tatsächlich zurückkehren, so von der Leyen. Sie kritisiert die „sehr unterschiedlichen Rückführverfahren und -praktiken der Mitgliedstaaten“ und weist darauf hin, dass die Basis für eine effektive Migrationspolitik eine Harmonisierung und gegenseitiges Vertrauen sei, damit nicht jemand von einem EU-Land ins nächste ziehen und Systemlücken ausnutzen könne. Die Kommission arbeitet derzeit an neuen Leitlinien über den Umgang mit Kriminellen – ein zentraler Punkt nach Messerattacken und gewalttätigen Übergriffen. Ebenfalls auf der Liste von der Leyens ist eine adaptierte Visapolitik und entschiedenes Vorgehen gegen die Schlepper. Gleichzeitig sei es sinnvoll, „innovative Wege“ im Kampf gegen illegale Migration zu finden – auch das ein Arbeitsauftrag für den designierten Kommissar Brunner.
Österreich und die Niederlande hatten die Kommission in einem Non-Paper zusammen mit 15 weiteren Schengen-Ländern vorige Woche aufgefordert, die fast 20 Jahre alte EU-Rückführungsrichtlinie zu erneuern. Innenminister Gerhard Karner und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) begrüßten mithin den Brief als Reaktion auf die Forderung.