In ein Wespennest hat der polnische Premierminister Donald Tusk gestochen, als er am Wochenende auf einem Parteitag seiner Bürgerkoalition (KO) ankündigte, sein Land werde das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend aussetzen (wir berichteten). Heute will er das seinem Kabinett detaillierter erläutern; er werde „die Anerkennung dieser Entscheidung in Europa einfordern“, so der frühere EU-Ratspräsident Tusk, der zur EVP und damit zur selben Parteienfamilie wie auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehört.
Tusk argumentiert mit der hybriden Kriegsführung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, die in Wellen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten an die polnische Grenze bringen. Allein heuer sollen auf diese Weise bereits 26.000 Menschen gezielt an die Grenze Polens gebracht worden sein, das gleichzeitig rund eine Million ukrainischer Kriegsflüchtlinge beherbergt. Tatsächlich sieht der im Frühjahr – allerdings gegen die Stimme Polens – beschlossene EU-Migrationspakt genau für diese Fälle ein Kriseninstrument vor: In der entsprechenden Verordnung heißt es, wenn etwa eine Überforderung der eigenen Systeme drohe, könne man „von bestimmten Vorschriften abweichen, beispielsweise in Bezug auf die Registrierung von Asylanträgen oder das Asylverfahren an der Grenze“. Genannt wird ein Ausnahmezeitraum von drei bis zwölf Monaten. Allerdings bedarf es in diesem Fall eines Beschlusses der Kommission und einer Genehmigung durch den Rat.
Kommission in Kontakt mit Polen
Bei der EU-Kommission reagiert man auf Anfragen zu Polen bestimmt, aber eher gelassen. Man erwarte, dass sich alle Länder an die geltenden Asylregeln halten, sagte eine Sprecherin gestern, die Behörde sei mit der polnischen Regierung in Kontakt. Gleichzeitig aber räumte sie ein, dass die Bedrohung durch Belarus und Russland groß sei. Der Schutz der Außengrenzen sei wichtig, man müsse auch hybride Attacken abwehren. Die Kommission arbeite daran, die entsprechenden Instrumente für die Länder bereitzustellen.