Wo der ungarische Premierminister auftritt, ist ein Spektakel nicht weit. Heute wird Viktor Orbán, aktueller EU-Ratsvorsitzender, im EU-Parlament in Straßburg erwartet. An sich eine altbekannte Übung – das Vorsitzland erläutert seine Schwerpunkte für das halbe Jahr der rotierenden Präsidentschaft. Doch Orbán und seine Leute polarisieren wie kaum wer anderer und das zeigt sich längst schon im Vorfeld. Daniel Freund, EU-Abgeordneter (Grüne) und einer der schärfsten Kritiker Orbáns, eröffnete gestern im EU-Parlament eine eigene Ausstellung mit dem Titel „Where Is Our Money, Mr. Orbán?“ („Wo ist unser Geld, Herr Orbán?“), eine Gruppe von Abgeordneten anderer Fraktionen, darunter Liberale und Sozialdemokraten, gab eine Pressekonferenz, um auf die schweren Verfehlungen Ungarns hinzuweisen: Sie fordern, obgleich es schon zahlreiche Verfahren und eingefrorene Gelder gibt, strengere Maßnahmen gegen das EU-Land. Fabienne Keller (Renew) sagt: „Wenn Ungarn heute ein EU-Kandidatenland wäre, würde es die Kriterien nicht erfüllen.“

Das alles rührt Viktor Orbán nicht, eher das Gegenteil scheint der Fall. Gut gelaunt lud er gestern, am Tag vor seiner Rede, zur eigenen Pressekonferenz; in einen nicht zu großen Besprechungsraum, der augenblicklich völlig überfüllt war. Kurz nach Beginn ein Eklat, ein laut protestierender Aktivist wird aus dem Saal geworfen. Als Premier müsse er ständig mit solchen Zwischenfällen rechnen, sagt Orbán: „Das gehört bei uns dazu, jetzt fühle ich mich wie zu Hause.“ Das Programm seiner Präsidentschaft scheint nicht viele zu interessieren, die Fragerunde danach umso mehr.

Ein Aktivist wird während der Pressekonferenz aus dem Saal geführt
Ein Aktivist wird während der Pressekonferenz aus dem Saal geführt © AFP / Frederick Florin

Orbán bleibt betont locker, hat auf jede Frage eine Antwort. Was passiert, wenn Trump gewinnt? – „Wir machen ein paar Flaschen Sekt auf.“ Warum blockieren Sie die Unterstützung für die Ukraine? – „Wir haben viel getan für die Ukrainer, Flüchtlinge aufgenommen und Hilfe organisiert; aber wir glauben nicht an eine Lösung auf dem Schlachtfeld.“ Wie kann es sein, dass für den kreditfinanzierten Eisenbahnbau Millionenaufträge an Ihren Vater gehen? – „Das ist Privatwirtschaft, da mische ich mich nicht ein.“ Sie fordern ein Migrations-Opt-Out, dafür müssten die EU-Verträge geändert werden? – „Das wäre dann der nächste Schritt.“ Sie haben doch 95 Prozent aller EU-Gesetze mitbeschlossen, was hat sich geändert? – „Die Flüchtlingswelle 2015. Und der Brexit.“ Und dann kommt auch noch Österreich ins Spiel. Auf die Frage, ob er sich in der EU nicht völlig isoliert fühlen würde, erinnert Orbán an Wolfgang Schüssel und Jörg Haider: „Damals wollte die EU das bestrafen, das war lächerlich. Das sind die Träume der Linken, das geht nicht.“

Ein Pressetermin mit Orbáns härtestem Gegner im eigenen Land, Peter Magyar, wurde kurzfristig abgesagt. EVP-Fraktionschef Manfred Weber hatte zuvor die ungarische Ratspräsidentschaft als „Totalausfall“ bezeichnet. Magyar und Weber wollen heute 15 Minuten vor der Rede des ungarischen Premiers vor die Presse treten. Ein Teil der Abgeordneten wird Orbáns Auftritt demonstrativ fernbleiben. Die Spannung bleibt bestehen.