Nach der Tötung ihres Anführers Hassan Nasrallah will die vom Iran unterstützte, libanesische Hisbollah-Miliz den Kampf gegen Israel unbeirrt fortsetzen. „Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte, und wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet“, sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Qassem am Montag in einer im Fernsehen übertragenen Rede. „Wenn Israel sich dafür entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten, wir sind bereit.“
Die Kämpfer der Hisbollah würden gegen Israels Armee siegen wie im Krieg 2006. Die Hisbollah werde dabei auch weiterhin aus Solidarität mit der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen gegen Israel kämpfen, sagte Qassem. „Wir werden unsere Auseinandersetzungen mit Israel fortsetzen und alle Brüder in Gaza unterstützen und den Libanon beschützen.“
Qassem sagte, die Organisation trauere um den von Israel getöteten Anführer Nasrallah. Wer diesem als Anführer nachfolgen wird, sagte Qassem nicht, sondern lediglich: „Wir werden so bald wie möglich einen (neuen) Generalsekretär wählen.“
Der Iran drohte Israel am Montag einmal mehr: Man werde keine der „kriminellen Handlungen“ Israels unbeantwortet lassen, sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, im Verlauf einer routinemäßigen Pressekonferenz in Teheran mit Blick auf die gezielten Tötungen Israels im Libanon. Kanaani verurteilte den Angriff, bei dem Nassrallah getötet wurde, scharf. Irans Regierung fordere ein sofortiges Handeln der internationalen Gemeinschaft und des UNO-Sicherheitsrates.
Sorge vor israelischer Bodenoffensive
Die Hisbollah gilt als wichtigster Verbündeter Teherans im Nahen Osten. Dass das iranische Militär der Gruppe nun offen zu Hilfe eilt, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Staatsführung dürfte laut Beobachtern militärische Schläge auf iranischen Boden erwarten. Zudem hat Irans neue Regierung unter Präsident Masoud Pezeshkian mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen und ist um eine Wiederannäherung mit dem Westen bemüht.
Daher wächst derzeit eher die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet.
Experten sprechen von einer möglichen „Falle“, in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Kämpfern und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das „Wall Street Journal“. Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council..
Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder „aus der Asche“ zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel - die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden - mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei.
Joe Biden: Ausweitung des Kriegs muss verhindert werden
Auf die Frage von Reportern, ob ein umfassender Krieg im Nahen Osten noch vermieden werden könne, antwortete US-Präsident Joe Biden: „Das muss er. Er muss wirklich vermieden werden.“ Er wolle mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu reden.
Die palästinensische Terrororganisation Hamas meldete unterdessen den Tod ihres Befehlshabers im Libanon. Fateh Sherif Abu el-Amin sei am Montag bei einem israelischen Angriff im Süden des Landes zusammen mit einigen Familienangehörigen getötet worden. Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr und der parallelen Konfrontationen mit der Hisbollah im Libanon hat Israels Armee dort auch nach Angaben der Palästinensergruppe PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) drei ihrer Mitglieder getötet.
Die Hamas ist mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon verbündet. Israel führt im Gazastreifen seit fast einem Jahr Krieg gegen die Hamas und hat zuletzt auch seine Angriffe auf die Hisbollah im Libanon sowie im Jemen erheblich ausgeweitet. Die Hamas, die Hisbollah und die Houthi-Miliz im Jemen werden alle von Israels Erzfeind Iran unterstützt.
Israel erhöht Druck auf die Hisbollah
Israel erhöht unterdessen weiterhin den Druck auf die Hisbollah, damit diese mit ihren Angriffen auf Israel aufhört und sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Die israelische Armee meldete am Montag den Angriff dutzender Hisbollah-Ziele in der libanesischen Bekaa-Region.
Außerdem bombardierten nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Kampfflugzeuge auch im rund 1.800 Kilometer entfernten Jemen Ziele, unter anderem Kraftwerke und einen Hafen, über den die Houthi-Miliz iranische Waffen und militärische Vorräte transportiert haben soll. Die Hafenstadt Hodeidah wurde laut Augenzeugen von Explosionen erschüttert. Der Houthi-nahe TV-Sender Al-Masirah meldete vier Tote. Wie die Hisbollah greift auch die Houthi-Miliz Israel immer wieder an - nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas, gegen die Israel seit fast einem Jahr Krieg führt.
Hisbollah bombardiert weiterhin den Norden Israels
Zugleich setzte die Hisbollah ihre Angriffe auf den Norden Israels fort. Der Armeesender berichtete, mehrere Raketen seien vom Libanon aus auf die Stadt Safed abgefeuert worden. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte oder Sachschaden. Die Armee teilte zudem mit, ein israelisches Raketenboot habe eine Drohne abgefangen, die im Norden über israelischen Gewässern im Mittelmeer geflogen sei. Der Armeesender berichtete, man gehe davon aus, dass die Drohne auf die Karish-Gasplattform abzielte.
Im Libanon und im Iran begannen am Montag dreitägige Trauerfeiern für den getöteten Hisbollah-Chef Nasrallah. Die Schiitenmiliz hat allerdings bisher keine Informationen über seine Beisetzung bekanntgegeben.
Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder „aus der Asche“ zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel - die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden - mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei.
210.000 Menschen im Libanon vertrieben
Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Najib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: „Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie.“ Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UNO-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.
Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bisher, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen nicht zustimmt.