Die Schiiten-Miliz Hisbollah hat nach eigenen Angaben eine Rakete auf das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad in Tel Aviv abgefeuert. Israels Militär hatte zuvor am Mittwoch mitgeteilt, dass es eine vom Libanon kommende Rakete abgefangen habe. Berichte über Opfer oder Schäden lagen nicht vor. Die Hisbollah macht den Mossad für die Explosion Tausender Pager und Funkgeräte im Libanon in der vorigen Woche mit 39 Toten und fast 3000 Verletzten verantwortlich.

Israelische Streitkräfte setzten unterdessen ihre Angriffe im Libanon fort. Insidern zufolge wurde erstmals die libanesische Küstenstadt Jiyyeh angegriffen. Das berichteten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen aus Sicherheitskreisen der Nachrichtenagentur Reuters. Laut libanesischen Sicherheitskreisen wiederum hat die israelische Armee in der Nacht auf Mittwoch ein „Lager“ im Küstenort Saadiyat südlich von Beirut ins Visier genommen.

Bombardierungszone weitet sich aus

Die Stadt Jiyyeh liegt 75 Kilometer nördlich der Grenze zu Israel. Einzelheiten zu möglichen Schäden oder Opfern waren zunächst nicht bekannt. Das Ziel des Luftangriffs in Saadiyat liegt rund 20 Kilometer südlich der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Die israelische Luftwaffe selber sprach davon, am Dienstagabend Dutzende Ziele der pro-iranischen Hisbollah im Osten und Süden des Nachbarlandes attackiert zu haben, darunter Waffenlager und Raketenabschussrampen. Die libanesische Staatsagentur NNA meldete schwere Bombardements in mehreren Orten im Süden des Libanon sowie weitere Angriffe in Baalbek im Osten des Landes.

Raketenalarm in Tel Aviv

Die Hisbollah reklamierte indes ihrerseits zahlreiche Angriffe auf israelisches Gebiet für sich. Die Schiitenorganisation teilte mit, unter anderem zweimal mit Raketensalven einen Militärstützpunkt im Norden Israels in der Nähe der Stadt Safed angegriffen zu haben.

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv und anderen Städten des Landes ist in der Früh Raketenalarm ausgelöst worden. Die Sirenen heulten praktisch im gesamten Zentrum Israels, wie die israelische Armee auf der Online-Plattform X mitteilte. Eine aus dem Libanon abgefeuerte Rakete sei über dem Großraum Tel Aviv abgefangen worden. Weitere Details zu dem Raketenangriff wurden zunächst nicht mitgeteilt.

In Tel Aviv war zuletzt Ende Mai Raketenalarm ausgelöst worden, damals wegen eines Angriffs der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Danach heulten die Alarmsirenen nur noch in anderen Landesteilen. Es ist auch das erste Mal überhaupt seit dem Massaker vom 7. Oktober vergangenen Jahres und dem darauffolgenden Beginn des Gaza-Kriegs, dass eine Rakete aus dem Libanon bis zum Großraum Tel Aviv vordrang.

Bald 600 Tote im Libanon

Die Zahl der Todesopfer im Libanon nach den israelischen Angriffen seit Montag ist nach Angaben der libanesischen Regierung auf 569 gestiegen. 1835 Menschen seien dabei verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit.

Von den USA hätte sich die libanesische Regierung mehr Unterstützung erwartet. Der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib zeigt sich enttäuscht über die Äußerungen von US-Präsident Joe Biden zur eskalierenden Krise zwischen Israel und dem Libanon, wo die Hisbollah fixer Bestandteil des Staats- und Regierungssystems ist. „Das war nicht stark. Es ist nicht vielversprechend und wird das Problem nicht lösen“, sagt Bou Habib mit Blick auf Bidens Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York.

Trotz seiner Kritik äußert er die Hoffnung, dass die Regierung in Washington doch noch helfend eingreifen könnte. Die USA seien das einzige Land, das im Nahen Osten und in Bezug auf den Libanon wirklich etwas bewirken könne, sagt er bei einer virtuellen Veranstaltung der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden in New York. Rund eine halbe Million Menschen im Libanon seien bereits vertrieben worden. Zudem hoffe der libanesische Ministerpräsident auf ein Treffen mit US-Vertretern in den nächsten zwei Tagen. In seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung hatte Biden versucht, die Spannungen zu entschärfen: Ein umfassender Krieg liege nicht im Interesse irgendeiner Seite, eine diplomatische Lösung sei noch möglich.

Unterdessen hat die von Israels Erzfeind Iran unterstützte Hisbollah den Tod des Leiters ihrer Raketeneinheit, Ibrahim Qubaisi, bei einem israelischen Luftangriff in einem Vorort der Hauptstadt Beirut bestätigt. Das berichteten mehrere Medien übereinstimmend unter Berufung auf eine Mitteilung der Schiiten-Miliz. Qubaisi sei unter anderem für Raketenangriffe auf Israel sowie für Anschläge auf israelische Zivilisten verantwortlich gewesen, so die israelische Armee.