Sie packen das Nötigste in ihre Autos und machen sich auf den Weg: Zehntausende Menschen fliehen vor den israelischen Luftangriffen im Süden und Osten des Libanon. Viele wollen in die Hauptstadt Beirut, andere fahren über die Grenze nach Syrien – das Bürgerkriegsland, aus dem Millionen Menschen geflohen sind, nimmt jetzt selbst Flüchtlinge auf.

Zehntausende auf der Flucht | Zehntausende Menschen fliehen aus dem Süden und Osten des Libanon
Zehntausende auf der Flucht
| Zehntausende Menschen fliehen aus dem Süden und Osten des Libanon © AP

Die israelische Regierung will die Hisbollah-Miliz mit den Luftangriffen im Libanon zur Kapitulation zwingen. Seit Beginn der Luftschläge sind Tausende von Hisbollah-Raketen und -Abschussrampen zerstört worden. Die Miliz, die sich bis vor Kurzem mit ihrer militärischen Stärke brüstete, konnte bisher nur kleinere Gegenangriffe gegen Israel unternehmen. Israelische Politiker geben sich siegessicher, doch sie sollten sich nicht zu früh freuen. Israel hatte zuletzt vor knapp zwanzig Jahren versucht, die Hisbollah mit einer Militärintervention im Libanon zu zerstören. Dieser Versuch scheiterte. Diesmal wird es nicht anders sein.

Kurzfristiger Triumph

Auf den ersten Blick sieht alles nach einem israelischen Triumph aus. Die Hisbollah hat der militärischen und geheimdienstlichen Überlegenheit des Gegners nichts entgegenzusetzen; ihre großspurigen Führungsmitglieder haben sich blamiert. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat seine wichtigsten Kommandeure verloren und weiß, dass Israel über interne Beratungen seiner Miliz im Bilde ist. Ein Großangriff auf israelische Städte wie Tel Aviv würde der Hisbollah vielleicht die Bewunderung einiger Israel-Feinde in der Region einbringen. Der danach zu erwartende Gegenschlag der Israelis würde aber schwere Verwüstungen im Libanon anrichten.

Schon nach dem letzten Krieg der Hisbollah gegen Israel 2006 hatten viele Libanesen nicht den jüdischen Staat, sondern die schiitische Miliz für die Verwüstungen verantwortlich gemacht. Auch Nasrallahs Schutzherr Iran fürchtet eine Eskalation, weil das Regime in Teheran seine eigene Zukunft in Gefahr sieht, wenn Israel und die USA beschließen sollten, mit der Hisbollah auch den Iran anzugreifen. Syriens Präsident Baschar al-Assad, bisher ein enger Partner der Hisbollah, denkt offenbar ähnlich und hält sich raus.

Israel stärkte Hisbollah

Dennoch wird Israel mit Krieg nicht gewinnen können. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Minister argumentieren, die Bombardements im Libanon sollten die Hisbollah von der israelischen Nordgrenze vertreiben und der Miliz die Waffen für Angriffe auf Israel aus der Hand schlagen. Doch selbst die militärische Kontrolle des Süd-Libanon durch Israel in den 1980er und 1990er Jahren beendete die Angriffe auf israelisches Gebiet nicht. Nach dem Krieg von 2006, der die Hisbollah ausschalten sollte, stieg die Miliz zur stärksten nicht-staatlichen Militärmacht im ganzen Nahen Osten auf.

Sicherheit kann es nur mit einer politischen Lösung geben. Der erste Schritt dazu wäre eine Waffenruhe in Gaza. Die Hisbollah und die Huthi-Rebellen im Jemen begründen ihre Angriffe damit, dass sie der Hamas in Gaza im Kampf gegen Israel helfen wollen. Beide Gruppen sagen, dass sie Ruhe geben werden, wenn in Gaza die Waffen schweigen. Der Iran, der zur Erholung seiner Wirtschaft regionale Stabilität braucht, unterstützt diese Position seiner Verbündeten.

Politische Strategie fehlt

Dass es nach fast einem Jahr Krieg keine Waffenruhe in Gaza gibt, liegt nicht nur, aber auch an Israel. Kritiker innerhalb und außerhalb von Israel werfen Netanjahu vor, eine Feuerpause zu verhindern, um sich in einem Dauer-Krieg an die Macht klammern zu können. Obwohl Israels Partner USA im neuen Konflikt im Libanon auf eine diplomatische Lösung drängte, um die Hisbollah zum Rückzug von der israelischen Nordgrenze zu bewegen, entschloss sich Netanjahu zu Luftangriffen. Bombardements allein sind aber keine Lösung. Dafür ist eine politische Strategie nötig, von der derzeit nichts zu sehen ist.