Seit Präsident Emmanuel Macron im Mai Neuwahlen ausgerufen hat, fühlen sich viele Franzosen in die Politik-Netflix-Serie „Baron Noir“ versetzt. Nur hat Macron die Kontrolle über das Drehbuch verloren. Es gibt in dieser ersten Staffel unerwartete Wendungen, bescheidene Höhepunkte, aber auch viel Überdruss. Denn alles scheint darauf angelegt, dass eine Fortsetzung folgt, einfach weil die Lebenserwartung der neuen Regierung gering ist. Sie steht unter dem Menetekel eines Misstrauensvotums, das nicht lange auf sich warten lassen wird.

Zwei Monate bestand in Frankreich ein Machtvakuum. Anfang September ließ sich Ex-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier für die undankbare Aufgabe des Regierungschefs breitschlagen. Zwei Wochen hat der neue, konservative Premier gebraucht, eine Regierung aufzustellen. Zwischenzeitlich soll er dem Präsidenten mit Rücktritt gedroht haben, bevor die Mannschaft überhaupt stand. Barnier bezeichnete Frankreichs katastrophale Finanzlage als „sehr ernst“ und kündigte Steuererhöhungen für reiche Privatpersonen und große Unternehmen an. Für Macron sind sie ein Tabu. Es war ein Machtspiel zwischen einem entmachteten Präsidenten und einem machtlosen Premier, der keine Mehrheit im Parlament hinter sich hat.

„Demokratieverweigerung, die völlig inakzeptabel ist“

Schon bevor am Samstag die Regierung präsentiert wurde, regten sich erste Proteste. Von einer „Demokratieverweigerung, die völlig inakzeptabel ist“, sprach der Koordinator der Linkspartei Unbeugsames Frankreich, Manuel Bompard, die trotz des Wahlsieges mit nur einem Minister im Kabinett so gut wie keine Rolle spielt. Elf Mitglieder der 39-köpfigen Regierungsmannschaft gehören dagegen den Konservativen an, die bei der Wahl nur 6,5 Prozent erzielten.

Barnier, der sich vor allem Themen wie Einwanderung und innere Sicherheit annehmen und dort einen schärferen Kurs fahren will, beglückwünscht sich dennoch zu einer „Architektur des Gleichgewichts“. Das ist schön formuliert. Die Wahrheit ist, dass die neue Regierung, die am Montag zu ihrer ersten Sitzung zusammenkam, nicht das Wahlergebnis repräsentiert. Die Überraschungswahl brachte eine Nationalversammlung aus fast drei gleichstarken Blöcken hervor. Durch die „republikanische Front“ konnte zwar ein haushoher Sieg von Marine Le Pens Rassemblement National verhindert werden, aber das Ergebnis brachte nicht die von Macron beschworene Klärung.

Die Kabinettsliste ist nun, Zeile für Zeile, ein Lied auf die gescheiterten Pläne Macrons, und zwar nicht nur der kurzfristig taktischen Winkelzüge dieser Monate. Auch seine hochfliegenden Projekte vom Anfang werden nun endgültig Makulatur. Die Idee eines politischen „Sowohl-als-auch“, der Versuch, eine schlüssige Politik aus rechten und linken Ideen zu stricken, all das ist gescheitert.