Russland hat nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Gegenoffensive in der russischen Grenzregion Kursk gestartet. Diese Reaktion der russischen Armee „entspricht dem ukrainischen Plan“, sagte Selenskyj am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Kiew, ohne nähere Angaben zu machen. Das russische Verteidigungsministerium teilte auf Telegram mit, russische Einheiten hätten in der Region Kursk „innerhalb von zwei Tagen zehn Siedlungen befreit“.
Bei einem russischen Beschuss sind nach Angaben der Ukraine drei ukrainische Mitarbeiter des Roten Kreuzes getötet worden. Der Vorfall habe sich in einem Dorf in der umkämpften Region Donezk ereignet, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft auf der Messenger-App Telegram mit. Zwei weitere Mitarbeiter seien in ein Krankenhaus eingeliefert worden, einer davon befinde sich in kritischem Zustand. „Ein weiteres russisches Kriegsverbrechen. Heute hat der Besatzer Fahrzeuge der humanitären Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in der Region Donezk angegriffen“, schrieb Selenskyj auf dem Kurznachrichtendienst X.
Ukrainische Rotkreuz-Mitarbeiter getötet
Der ukrainische Menschenrechtskommissar Dmytro Lubinez teilte mit, bei den Todesopfern handle es sich um drei Ukrainer, die für das IKRK gearbeitet hätten. Sie starben demnach durch Artilleriebeschuss im Dorf Wiroljubiwka in einem schwer umkämpften Gebiet in der Nähe der Frontlinie. In der ostukrainischen Region Donezk rückt die russische Armee seit Wochen auf die logistisch bedeutende Stadt Pokrowsk vor - trotz der ukrainischen Gegenoffensive in der westrussischen Region Kursk, welche die Ukraine am 6. August begonnen hatte.
Selenskyj wies außerdem eine chinesisch-brasilianische Friedensinitiative zurück. „Der chinesisch-brasilianische Vorschlag ist destruktiv“, sagte Selenskyj dem brasilianischen Nachrichtenportal „Metropoles“. Es sei nur eine politische Erklärung, welche die territoriale Unversehrtheit der Ukraine missachte und bei der es nicht um Gerechtigkeit gehe. Der Plan sei vorher mit dem Kreml abgestimmt worden. „Wofür wird dieses Theater veranstaltet?“, entrüstete sich der Ukrainer. Kiew sei im Gegensatz zu Moskau vorher nicht gefragt worden.
In Bezug auf vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gemachte Vorschläge fragte Selenskyj weiter: „Was heißt, sich einfach an einen Tisch zu setzen und zu reden?“ Der russische Präsident Wladimir Putin sei ein Mörder und habe ukrainisches Gebiet besetzt und müsse mit ersten Schritten seine Bereitschaft zeigen, dass er den Krieg beenden wolle. „Und jetzt sagt Präsident Lula, setzt Euch einfach an einen Tisch und redet“, sagte er.
Selenskyj sei zwar bereit, mit Lula da Silva zu sprechen, da die Ukraine normale Beziehungen zu Brasilien pflege. „Doch wenn Lula uns unterstützen würde, würde er helfen, den Krieg zu beenden“, führte er aus. Das große Brasilien könnte einen riesigen Einfluss haben. Kiew sei auch nicht verpflichtet, Kompromissbereitschaft zu zeigen. „Welchen Kompromiss? Land abtreten? Vergessen, dass unsere Leute ermordet wurden? Worin soll der Kompromiss bestehen? Alles zu vergessen?“, sagte Selenskyj.
Russland nimmt Frachtschiffe ins Visier
Bei X teilte der ukrainische Staatschef auch mit, dass Russland in der Nacht ein mit Weizen für Ägypten beladenes ziviles Frachtschiff nach dem Verlassen ukrainischer Hoheitsgewässer im Schwarzen Meer mit einer Rakete angegriffen habe. Es habe keine Opfer gegeben. Selenskyj betonte einmal mehr die Bedeutung ukrainischer Getreideexporte für die Welternährung und forderte auch hier eine internationale Reaktion. „Weizen und Nahrungsmittelsicherheit sollten nie Ziele von Raketen sein“, sagte er. Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.
Selenskyj empfing in Kiew auch den estnischen Präsidenten Alar Karis, dem er für die Rüstungshilfe dankte. Das baltische EU- und NATO-Mitglied habe festgelegt, 0,25 Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Ukraine für ihre Verteidigungserfordernisse zur Verfügung zu stellen. Bei den Gesprächen sei es auch um den Wiederaufbau und den EU-Kurs des Landes gegangen. Auch die lettische Regierungschefin Evika Silina sicherte bei einem Treffen mit Selenskyj weitere Hilfe zu.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren mit westlicher Hilfe gegen den russischen Angriffskrieg. Dutzende Staaten unterstützen das Land beim Kampf gegen die russischen Besatzer.