Die Debatte streifte alle Aufreger, von Flüchtlingen aus Haiti, die angeblich Haustiere essen, bis zu Israel, das — sagte Trump — in zwei Jahren nicht mehr existieren werde, falls Harris gewählt würde.

Mehrheit rechnet Harris den Sieg zu

Harris lächelte viel — fast zu viel. Sie gab sich staatstragend und parteiübergreifend. Es gehe um die Zukunft, den amerikanischen Traum. Zugleich provozierte sie den Herausforderer mit Nadelstichen. Das wirkte: Trump, der früher seine Auftritte mit Witzen gemischt hat, wirkte nun verärgert und angriffslustig. Er sprach viel über die Fehler der Biden-Regierung, während seine eigenen Pläne oft unklar blieben. Meist redeten beide zum Publikum, ohne aufeinander einzugehen; viel Neues wurde nicht gesagt. Beide Camps verbuchten den Auftritt ihres Kandidaten als Erfolg. „Das hat Spaß gemacht“, tweetete Harris danach. „Lasst uns das wieder tun.“ Nach einer CNN-Umfrage legte Harris nach der Debatte zu, während Trump leicht absackte. Eine deutliche Mehrheit der Zuschauer fand, Harris habe die Debatte gewonnen.

Die Körpersprache bei der Debatte

Knappes Rennen

Die Wahl ist knapp: Sowohl Harris als auch Trump haben nur eine Beliebtheitsrate von 42 Prozent, aber 52,5 Prozent der Wähler mögen keinen von beiden. Und: 28 Prozent der Amerikaner glauben, sie wissen nicht genug über Harris, während nur neun Prozent rätseln, wer dieser Trump eigentlich ist. Deshalb war schon die Vorbereitung umkämpft: Trump forderte, dass Kamala — die kleiner ist als er — nicht auf einem erhöhten Podest stehen dürfe. Harris‘ Team hat eine App entwickelt, mit der die Vizepräsidentin trainierte, wie sie gegen Trump Punkte machen kann.

Es geht um die Wirtschaft

„It‘s the economy stupid“, es geht um die Wirtschaft, Dummkopf, meinte der Clinton-Stratege Jim Carville einmal. Heute denken nur 23 Prozent der Amerikaner, dass die Wirtschaft gut läuft, 76 Prozent halten sie für schlecht. Zwar geht es dem Aktienmarkt gut, aber die Lebensmittelpreise und die Mieten sind unerschwinglich und die Löhne stagnieren. Dagegen will Trump Einfuhrzölle gegen China verhängen. Harris hingegen will Steuernachlässe für Familien und Hauskäufer.

„Kriminelle, die Haustiere schlachten“

Lieber allerdings sprach Trump über die Immigrationswelle, die elf Millionen Illegale in die USA gebracht habe; Kriminelle und Terroristen, die Haustiere schlachteten und ganze Städte übernehmen würden. Harris habe es versäumt, die Grenzen zu sichern. Mit Harris werde Amerika wie Venezuela werden. Trump, gefragt, wie er elf Millionen Menschen deportieren wolle, blieb die Antwort schuldig (zuvor hatte er gesagt, er wolle das Militär einsetzen). Daraufhin Harris: Trump habe zum Telefon gegriffen, um einen Immigrationskompromiss zu torpedieren, weil das besser für seinen Wahlkampf sei. Es sei eine Frechheit, dass jemand, der mehrfach wegen Betrug und Vergewaltigung verurteilt worden sei, über Recht und Gesetz reden.

Genauso viel Raum nahm die Außenpolitik ein. Harris sagte, Trump werde von ausländischen Staatsmännern als Witzfigur angesehen, der sich bei Diktatoren einschleime. Der konterte, der ungarische Staatschef Viktor Orban unterstütze ihn und mit Harris drohe der Dritte Weltkrieg. Wäre er Präsident gewesen, hätte Putin sich nie getraut, in die Ukraine einzumarschieren. Er werde den Krieg noch vor seinem Amtsantritt beenden. Trump forderte auch, dass die Europäer mehr für Waffenhilfe zahlen müssten, denn die seien hauptsächlich betroffen. Er habe als Präsident bereits die NATO-Beiträge hochgetrieben und die North-Stream-Pipeline gestoppt.

Harris warnte zudem mit Blick auf die von Russland angegriffene Ukraine vor einer Präsidentschaft Trumps. „Wenn Donald Trump Präsident wäre, säße Putin jetzt in Kiew“, sagte Harris. Die NATO-Verbündeten seien dankbar, dass Trump nicht mehr Präsident sei. „Andernfalls würde Putin in Kiew sitzen und den Rest Europas im Visier haben, angefangen mit Polen“, mahnte Harris. Die 59-Jährige sagte, Putin würde Trump „zum Mittagessen verspeisen“. Harris warf Trump weiters vor, international eine Lachnummer zu sein. „Ich bin als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten um die Welt gereist, und die führenden Politiker der Welt lachen über Donald Trump.“

Streitpunkt Nahost

Trump warf Harris vor, dass sie keine harte Linie gegenüber dem Iran zeige. „Sie hasst Israel, sie hat sich sogar geweigert, mit Netanyahu zu reden“, sagte er. Selber sagte er zu Israel nichts. Harris trat, wie zuvor, für die Zwei-Staaten-Lösung ein, sagte aber, Amerika werde Israel immer militärisch unterstützen. Trump kritisierte auch den Rückzug aus Afghanistan, der 13 Soldatenleben und viel Geld gekostet hatte. Hätte er den Rückzug aus Afghanistan befohlen, wäre das anders gelaufen.

„Konzept von einem Plan“

Eine Schlappe allerdings musste Trump einstecken, als es um das bei Republikanern unbeliebte Gesundheitsvorsorge-Programm ObamaCare ging. Die wollte Trump bereits in seiner ersten Amtszeit abschaffen und durch etwas Besseres ersetzen, aber was? Mehrfach gefragt, sagte er, er habe „das Konzept von einem Plan“.

Gestritten wurde auch um das Recht auf Abtreibung, das der Supreme Court, das Verfassungsgericht der USA mit seiner neuen konservativen Mehrheit eingeschränkt hatte. Jetzt müssten zwölfjährige Mädchen Babys austragen und Ärzte ließen Frauen mit Fehlgeburten verbluten, weil sie Angst hätten, gegen Gesetze zu verstoßen, sagte Harris. Trump wiederum behauptete, Ärzte würden routinemäßig neugeborene Babys „exekutieren“. Harris daraufhin: Ihr gehe es um die Freiheit von Frauen, dass sie selber über ihren Körper bestimmen dürfen und nicht Trump.

Trump leugnet Niederlage immer noch

Nur kurz kam das Gespräch auf den Aufstand nach Trumps Wahlniederlage. Letzte Woche hat Trump vor laufender Kamera eingeräumt, dass er 2020 „um Haaresbreite“ verloren hatte. Das hatte ihm viel Ärger mit rechten Unterstützern eingebracht. Dazu sagte er gestern, das habe er satirisch gemeint: „Sehen Sie, es gibt so viele Beweise. Sie müssen es sich nur ansehen. (...) Ich habe fast 75 Millionen Stimmen erhalten, die meisten Stimmen, die ein amtierender Präsident jemals erhalten hat“, sagte Trump. Der Republikaner hatte nach der Wahlniederlage gegen Biden im Jahr 2020 diese nicht anerkannt und entgegen allen Tatsachen behauptet, er sei um seinen Wahlsieg betrogen worden. Wegen seiner Versuche, das Ergebnis nachträglich zu kippen und in einen Sieg umzuwandeln, ist der 78-Jährige in zwei Verfahren angeklagt.

Nach der Debatte gab es noch eine kleine Überraschung: Der Popstar Taylor Swift erklärte, sie werde für Harris stimmen. Sie posierte mit ihrer Katze — ein Seitenhieb auf Trumps Vize JD Vance, der sich über „kinderlose Katzenbesitzerinnen“ lustig gemacht hatte.