Donald Trump kann nicht anders. Sein Politikverständnis lebt von Wut, nicht von viel mehr. Im ersten TV-Duell mit Kamala Harris am Dienstag (Ortszeit) in Philadelphia wurde dies einmal mehr offenkundig. Mehr als einmal griff Trump Harris an und versuchte ihr die fachliche Eignung für das Präsidentenamt abzusprechen – ohne dabei auf die Notwendigkeit seiner moralischen Eignung Rücksicht zu nehmen.
Video: Wer ist Kamala Harris?
Für seine Kernwählerschaft ist das alles kein Problem. Sie verehren den Republikaner nicht trotz, sondern wegen seiner Wut auf alle Gegner. Trump hat die Entpolitisierung der Politik auf eine neue Stufe gehoben, nicht umsonst war es dem 78-Jährigen viel wichtiger, Harris persönlich als „Marxistin“ oder die bisherige Regierung als „korrupt“ zu verunglimpfen, als selbst eine Vision für das Land mit all seinen realen Problemen aufzuzeigen.
Selbst beim republikanischen Kernthema Migration sprach Trump viel lieber über das Missmanagement der Demokraten, als die eigentlich zwingend notwendigen Lösungsansätze zu präsentieren. Hinzu kamen wirre Botschaften und ein Haufen Lügen, wie jene, dass Migranten die Hunde der Amerikaner essen würden. Dass sich Faktenchecker damit beschäftigen müssen, ist ein Armutszeugnis für die Politik.
Video: Wer ist Donald Trump?
Und Harris? Sie wusste Trumps Wut zu nutzen. Der Auftritt der Demokratin war ein krasser Kontrast zu jenen von Joe Biden, der im Duell gegen Trump im Juni farb- und zahnlos wirkte. Energiegeladen provozierte Harris Trump ein ums andere Mal. So richtete sie ihrem Gegenüber beispielsweise aus, dass Putin „ihn zum Lunch essen“ würde.
Harris ist es gelungen, den ohnehin wütenden Trump aus der Reserve zu locken und für die wichtigen unabhängigen Wählerinnen und Wähler in weiten Teilen zu demaskieren. Nach einem zaghaften Start kam Harris in Schwung und Trump geriet immer mehr in Rage.
Dabei wahrte sie - im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten - ein präsidiales Gesicht. Die großen Visionen und Inhalte ließ aber auch sie vermissen, doch in den USA 2024 sind diese ohnehin nicht mehr primär.