In der deutschen Debatte um Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylwerbern an der Grenze findet am Dienstagnachmittag ein Treffen der Vertreter der Ampel-Regierung, der oppositionellen CDU/CSU sowie der Bundesländer statt. Nach langem Zögern sagte Dienstagfrüh auch die Unionsfraktion ihre Teilnahme an den Migrationsgesprächen zu. Dabei geht es vor allem darum, wie und ob Geflüchtete direkt an der Grenze zurückgewiesen werden können.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Montag neben der Einführung von vorübergehenden Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen auch angekündigt, ein europarechtskonformes Modell für die Zurückweisung an den Grenzen entwickelt zu haben. Details wollte sie jedoch nicht nennen, diese sollten bei dem Treffen am Dienstagnachmittag erläutert werden. Die CDU/CSU hatte betont, dass die Frage der Zurückweisungen „eine zentrale Frage“ sei.
Der Parlamentsgeschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei (CDU) brachte die Forderung seiner Fraktion so auf den Punkt: „Wir fordern nicht nur stationäre Grenzkontrollen, sondern auch die Zurückweisung derer, die aus anderen EU-Staaten kommen und an der Grenze um Asyl bitten.“ Dies wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis: Bisher werden Asylsuchende von der Grenze in Aufnahmezentren im Gebiet der Bundesrepublik gebracht; erst dort wird dann geprüft, ob ein anderes EU-Land nach den sogenannten Dublin-Regeln für das Asylgesuch zuständig ist.
Nachbarländer reagieren mit Kritik
Frei räumte ein, dass die Rechtslage in der Frage der Zurückweisungen an den Grenzen „nicht völlig klar“ sei. Dazu gebe es „bis dato keine höchstrichterliche Rechtsprechung“. Dies bedeute im Umkehrschluss aber nicht, dass man an den Grenzen von vornherein nicht zurückweisen könne.
Einige der neun Nachbarstaaten Deutschlands reagierten mit Kritik: „Die deutsche Innenpolitik diktiert diesen Aktionskalender, und leider müssen die anderen Länder dies berücksichtigen“, sagte Polens Innenminister Tomasz Siemoniak im polnischen Rundfunk. Die EU-Vereinbarungen ließen dieses Vorgehen zu, „und wir haben auch Kontrollen eingeführt, zum Beispiel an der Grenze zur Slowakei“, fügte er aber hinzu.
Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) meinte: „Wenn das Deutschland tut, soll es mir recht sein“, er sei auch nicht besonders überrascht. Bereits am Montag ließ er wissen, dass Österreich keine von Deutschland zurückgewiesenen Migrantinnen und Migranten aufnehmen werde. Gespräche zwischen dem deutschen und dem österreichischen Innenministerium habe es diesbezüglich noch nicht gegeben, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Innenministerium in Wien.
Der tschechische Innenminister Vit Rakusan äußerte sich gelassen: Bei den Kontrollen handle es sich im Falle Tschechiens um eine Verlängerung der Maßnahmen, die bereits seit einigen Monaten an der deutschen Grenze gelten würden. „Für die Tschechische Republik und ihre Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies im Moment keine grundlegende Veränderung“, schrieb Rakusan auf der Online-Plattform X.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte am Montag in einer Rede vor deutschen Botschafterinnen und Botschaftern vor nationalen Alleingängen gewarnt. Man dürfe sich „nicht kirre machen lassen von denjenigen, die uns jetzt vorgaukeln, dass der Nationalstaat irgendwas in Europa alleine besser könnte“, sagte die Grünen-Politikerin. Die Bundesregierung habe „alles dafür gegeben, dass wir in Europa ein gemeinsames europäisches Asylsystem auf den Weg bringen: GEAS.“ Es gehe mit diesem Kompromiss jetzt darum, dieses System umzusetzen. Verbindlich werden viele Regelungen von GEAS für die EU-Staaten allerdings erst nach der Umsetzung in nationales Recht im Sommer 2026.