Der Vorstoß ukrainischer Soldaten in der russischen Oblast Kursk läuft dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge nach Plan. Die Ziele des Einsatzes würden erreicht, sagte er am Montag in der südostukrainischen Stadt Saporischschja nach einem Treffen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof. Laut Russlands Machthaber Wladimir Putin rückt das russische Militär indes trotz des ukrainischen Eindringens nach Kursk in der Ostukraine weiter vor.
Mehr als 600 russische Soldaten seien gefangen genommen worden, sagte Selenskyj. Er hatte unlängst von einem „Austauschfonds“ gesprochen, um ukrainische Soldaten aus russischer Gefangenschaft freizubekommen. Der Einmarsch in Kursk könne helfen, den Druck von der heftig umkämpften Stadt Prokrowsk an der Ostfront zu nehmen, erklärte Selenskyj weiter. Dort sei die Lage aber bisher schwierig.
Putin: Ukraine kann russischen Vormarsch in Donezk nicht stoppen
Putin sagte seinerseits am Montag, die „Provokation“ der Ukraine in der russischen Region Kursk habe den Vormarsch in der ostukrainischen Region Donezk nicht aufhalten können. Der russische Präsident sprach laut staatlichen Nachrichtenagenturen bei einem Besuch in der Region Tuwa im südlichen Sibirien.
Die russischen Streitkräfte würden die Gebiete in Kursk „Quadratkilometer für Quadratkilometer“ zurückerobern. Zugleich rückten sie in Donezk so schnell vor wie schon lange nicht mehr, lobte Putin bei einem Auftritt vor Schülern das Tempo seiner Truppen bei der Besetzung neuer Territorien in der benachbarten Ukraine.
Die Ukraine habe versucht, mit ihrem Gegenstoß im Gebiet Kursk den Vormarsch der russischen Truppen im Donbass in der Ostukraine aufzuhalten – vergeblich. „Wir reden jetzt nicht davon, dass wir 200 oder 300 Meter vorankommen“, sagte Putin den Agenturen zufolge. Es gehe stattdessen um mehrere Quadratkilometer. „So ein Tempo bei der Offensive im Donbass hatten wir lange nicht.“
Propaganda in russischen Schulen
Putin hat auf dem Weg in die Mongolei in der sibirischen Teilrepublik Tuwa einen Stopp eingelegt, um einen Unterricht im nach Kriegsbeginn neu eingeführten Fach „Gespräche über das Wichtige“ zu halten. Der propagandistisch gefärbte Unterricht soll Kindern den politischen Kurs des Kremls näherbringen. Am ersten Schultag ist Putin auch in den vergangenen Jahren immer wieder in die Rolle des Oberlehrers geschlüpft.
In der öffentlich abgehaltenen Unterrichtsstunde wiederholte er die Behauptung, der von ihm befohlene Angriffskrieg gegen die Ukraine diene der Verteidigung des eigenen Landes. „Wir schützen sowohl die Menschen, die im Donbass leben, als unsere gemeinsame Zukunft – die Zukunft Russlands, denn wir können es uns nicht leisten, dass vor unserer Nase feindliche Strukturen geschaffen werden, die aggressive Pläne gegen unser Land hegen und ständig versuchen, Russland zu destabilisieren“, sagte er. Der Staatschef spielte damit auf den von Kiew erhofften Beitritt zur NATO an.
Putin bezeichnet ukrainische Soldaten als „Banditen“
Während Putin damit den eigenen Angriff auf fremdes Staatsgebiet einmal mehr rechtfertigte, nannte er die am Gegenstoß auf das Gebiet Kursk beteiligten ukrainischen Soldaten „Banditen“, mit denen Russland abrechnen müsse. Im Gebiet Kursk haben die ukrainischen Truppen weiter die Initiative, auch weil Russland darauf verzichtet, zur Abwehr des Angriffs Soldaten aus dem Hauptangriffsgebiet in Donezk abzuziehen.
Pro-russische Militärblogger sprachen am Montag davon, dass russische Truppen nun in die ostukrainischen Kleinstädte Selydowe und Ukrainsk vorgedrungen seien und dort kämpften. Eine Stellungnahme der Ukraine dazu lag zunächst nicht vor. Selydowe liegt etwa 20 Kilometer südlich von Pokrowsk, Ukrainsk etwa 14 Kilometer weiter südlich. Die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS meldete, dass ukrainische Streitkräfte aus einem Teil von Selydowe vertrieben worden seien. Den Bloggern zufolge versuchen die russischen Truppen auch südwärts auf die Stadt Kurachiwka vorzurücken, um die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen und die Kontrolle über die Straße zwischen Pokrowsk und der Regionalhauptstadt Donezk zu verstärken. Laut dem Verteidigungsministerium in Moskau brachten die russischen Streitkräfte mit dem Dorf Skutschne eine weitere Ortschaft in der Region unter ihre Kontrolle, wie RIA meldete.