Da ist er wieder, dieser Blick. Papst Franziskus kneift die Augen zusammen. Man kann eine gewisse Angriffslust aus seiner Mimik erkennen. Es gebe Leute, die systematisch und mit allen Mitteln versuchten, Migranten abzuwehren, sagt er. Rhetorische Pause. Wenn so etwas bei vollem Bewusstsein und Verantwortungssinn gemacht werde, „ist das schwere Sünde“. Sagt Franziskus und gibt den letzten beiden Worten besonderes Gewicht. Das war bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch auf dem Petersplatz in Rom. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat damit gewissermaßen den Ton für seine längste Auslandsreise gesetzt, die heute beginnt. Franziskus ist wieder da.
Vor mehr als elf Jahren bestieg der Argentinier José Bergoglio den Stuhl Petri und entzückte rasch einen erheblichen Teil seiner Zuhörer. Das Papsttum schien entzaubert angesichts dieses einfachen, bescheidenen Mannes „vom anderen Ende der Welt“, der ein großes Herz für die Armen und wenig Sinn für Prunk und Paläste hatte. Das war freilich nur der romantische Auftakt eines komplizierten Pontifikats, das sich nun in seiner Endphase befindet. Die zwölftägige Reise nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Ost-Timor und Singapur, die 2020 wegen der Pandemie abgesagt worden war, wirkt nun wie der Schlussakkord der Regentschaft Franziskus‘.
Zwei Reisen abgesagt
Diese längste und wohl beschwerlichste Reise des Papstes aus Argentinien ist keine Selbstverständlichkeit. Zweimal in den vergangenen beiden Jahren sagte der Pontifex wegen seiner angeschlagenen Gesundheit Auslandsfahrten kurzfristig ab. 2022 verschob er einen Trip in den Kongo und in den Süd-Sudan. Auch auf die Weltklimakonferenz in Dubai im vergangenen Dezember verzichtete Franziskus. Auf dem Rückweg einer Reise in die Mongolei vor einem Jahr gestand Franziskus, dass Auslandsreisen für ihn inzwischen „nicht mehr so leicht wie zu Beginn“ des Pontifikats seien. Der Papst, bald 88 Jahre alt, muss also einen besonders guten Grund haben, um den Vatikan für knapp zwei Wochen zu verlassen und rund 33.000 Flugkilometer zurück zu legen.
Drei Gründe
Es sind vor allem drei Gründe. Der erste ist der weltumspannende Anspruch der katholischen Kirche. Überall auf der Welt gibt es Katholiken, auch wenn sie zum Beispiel in Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung, nur drei Prozent ausmachen. Franziskus legt dabei den Akzent weniger auf Missionierung, also auf Bekehrung zum Glauben, als auf die Unterstützung kleiner, aber starker Glaubensgemeinschaften in den vermeintlichen Peripherien der Welt. In gewisser Weise nimmt er damit auch die schrumpfende Zukunft der katholischen Kirche in Europa vorweg.
Zweitens legt Franziskus seit Amtsbeginn besonderen Wert auf den Dialog mit dem Islam. Höhepunkt der Reise wird am Donnerstag die Begegnung mit dem Imam der Istiqlal-Moschee in Indonesiens Hauptstadt Jakarta, die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung sowie die Begehung eines „Freundschaft-Tunnels“ sein. Er verbindet die Moschee mit der nahegelegenen katholischen Kathedrale. Und das alles in einem Land, das immer wieder Opfer der Gewalt islamischer Fundamentalisten ist. In Zeiten wachsender Terror-Gefahr ist diese Begegnung ein starkes Statement. Der Papst ist gleichwohl Zielscheibe für Terroristen, die Sicherheitsvorkehrungen auf der Reise sind enorm.
„Ich bin noch da“
Schließlich ist der Trip ein Zeichen an die innerkirchliche Opposition. „Ich bin noch da“, lautet die versteckte Botschaft des Papstes an seine Kritiker. Franziskus wirkt trotz zahlreicher körperlicher Gebrechen wesentlich fitter als in den Monaten zuvor. Im Winter leidet der 87-Jährige oft an gefährlichen Atemwegsinfektionen. Seit gut zwei Jahren lässt sich Franziskus wegen seiner Kniebeschwerden im Rollstuhl schieben, er musste zwei Darmoperationen über sich ergehen lassen. Der Papst vermittelte ein Bild der Schwäche, das je nach Ablauf der Reise teilweise revidiert werden könnte. Und doch: Seine altersbedingten Limitierungen sind evident. Nicht ausgeschlossen, dass dies seine letzte große Fahrt wird.