Für die Demokraten beginnt heute die Krönungsmesse von Kamala Harris: Der heute beginnende viertägige Parteitag soll als Triumphzug inszeniert werden. Viele demokratische Stars werden in Chicago auftreten: Bill Clinton, Barack Obama, Joe Biden und Jason Carter, der Enkel des früheren Präsidenten Jimmy Carter, der am 1. Oktober 100 Jahre alt wird. Auch andere demokratische Politiker kommen — darunter Gretchen Whitmer und Kathy Hochul, aber auch Hollywoodstars, möglicherweise sogar Beyoncé, George Clooney und Taylor Swift. 5000 Delegierte und 15.000 Journalisten werden erwartet, darunter auch Instagrammer und TikTok-Influencer.

Harris legt in Swing States zu

Allerdings werden auch Demonstranten gegen Israels Krieg in Gaza aufmarschieren. Ältere erinnern sich noch an den Parteitag der Demokraten in Chicago 1968, der im Chaos der Vietnamkriegsproteste unterging. Heute aber sind die Demokraten – abgesehen von der Gazadebatte – im Höhenflug, seit Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota, als Vize vorgestellt wurde. „Bisher fühlte sich der Wahlkampf wie ein Begräbnis an, jetzt ist es mehr wie eine Faschingsparade“, meinte der TV-Comedian Stephen Colbert. Der von ihm geprägte Slogan „Republikaner sind merkwürdig“ ist derart in aller Munde, dass man glauben könnte, er selber sei der Präsidentschaftskandidat und nicht Harris.

Mit der Nominierung von Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidat hat die Kampagne von Kamala Harris nochmals einen gehörigen Schub erfahren
Mit der Nominierung von Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidat hat die Kampagne von Kamala Harris nochmals einen gehörigen Schub erfahren © AP / Bonnie Ryan

In Umfragen liegen die Demokraten vorne, auch in den Swing States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, wenngleich nur knapp. Trump hingegen scheint sein Mojo verloren zu haben. Die Bilder, wie der frühere Präsident nach dem fehlgeschlagenen Attentat die Faust ballte, sind vergessen. Nun wirkt er oft gereizt, mehr aber noch zerstreut — und alt.

Riskiert Trump gerade seine Niederlage?

Bei einer Pressekonferenz beschwerte er sich minutenlang darüber, dass er größere Massen anziehe als einst Bürgerrechtsikone Martin Luther King, aber die Presse verschweige das. Danach sprach er mit Tesla-Chef Elon Musk auf dessen Plattform X und machte sich dafür stark, dass Konzerne streikende Arbeiter feuern dürfen. Trump wurde dem nationalen Publikum nicht zuletzt durch seine TV-Show bekannt, in der der Satz „Du bist gefeuert“ sein Markenzeichen war. Vor allem aber mokiert sich Trump über Harris. Die habe ihr Schwarzsein erst entdeckt, als es ihr bei der Karriere diente, eigentlich sei sie eine Inderin; außerdem sei sie so links wie Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und sie werde, wie dieser, das Land ruinieren. Das wird selbst seiner eigenen Partei zu viel, zumal sich die Republikaner neuerdings als „farbenblinde“, rassismusfreie Partei gerieren. Nikki Haley, Trumps Konkurrentin bis zuletzt, meinte, Trump werde nicht gewinnen, indem er Harris wegen ihrer Hautfarbe beschimpfe.

Kurz vor dem Parteitag der Demokraten in Chicago hatte Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris noch ihr Programm vorgestellt. Sie will Familien finanziell entlasten, indem Preisobergrenzen für Lebensmittel festgeschrieben werden. Schulden, die aus medizinischen Behandlungen herrühren, sollen gestrichen werden und die Preise von verschreibungspflichtigen Medikamenten, allen voran Insulin, sollen sinken. Amerikaner, die das erste Mal ein Haus kaufen, sollen einen Zuschuss von 25.000 Dollar bekommen, dafür sollen Milliardäre und Konzerne mehr Steuern zahlen.

Republikaner schießen sich auf Walz ein

Trotzdem ist das Rennen noch offen. Die Republikaner schießen sich gerade auf Walz ein. Vorgeworfen wird dem 60-Jährigen nicht nur, dass er die Nationalgarde verlassen habe, bevor er in den Irak geschickt werden konnte, sondern auch, dass er Minnesota zu einem Refugium für Transgender-Personen gemacht habe.

Viele der Vorwürfe sind verkürzt oder falsch, aber die Republikaner hoffen vor allem, Walz als radikalen Linksaußenpolitiker darstellen zu können. Umso wichtiger dürfte für den Vizepräsidentschaftskandidaten sein Auftritt in Chicago werden, der am Mittwoch und damit einen Tag vor der großen Grundsatzrede von Harris angesetzt ist. Hier kann sich der frühere Football-Coach erstmals seit seiner Nominierung einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen.