Zwölf Tage nach Beginn der Invasion setzen ukrainische Truppen die russische Armee in Kursk nach wie vor unter Druck. Zuletzt ist es der ukrainischen Luftwaffe gelungen, eine strategisch wichtige Autobrücke in der russischen Grenzregion zu zerstören, Kommandeur Mykola Oleschtschuk veröffentlichte in einem Telegramkanal ein Video, das die Bombardierung zeigt.

Mit der Zerstörung der Brücke über den Fluss Sejm haben die Ukrainer eine wichtige Versorgungsroute gekappt, russischen Medien zufolge sind dadurch mehr als 30 Ortschaften im Landkreis Gluschkowo vom übrigen Gebiet abgeschnitten. Nächstes Ziel der Ukrainer dürften nun zwei weitere Brücken über den Sejm sein, nach ihrer Zerstörung könnte das südlich des Flusses gelegene Gebiet für die Russen wegen Nachschubproblemen nicht mehr zu halten sein.

Während die militärischen Erfolge in Kursk derzeit für internationale Aufmerksamkeit sorgen, droht der Ukraine im knapp 300 Kilometer entfernten Donbass eine schmerzliche Niederlage: Russische Truppen befanden sich zuletzt bereits in Vororten der Industriestadt Pokrowsk,.

Pokrowsk ist Teil der letzten Verteidigungslinie

Eine etwaige Einnahme der Stadt durch Russland könnte für den weiteren Kriegsverlauf relevanter als die Kursker Kampfhandlungen sein. „Pokrowsk ist ein für die ukrainischen Streitkräfte wichtiger logistischer Knotenpunkt im Donbass, gleichzeitig ist die Stadt ein Stützpunkt der dritten und letzten Verteidigungslinie der Ukrainer“, erklärte Bundesheer-Militärexperte Markus Reisner. Nach dem Einbruch der Russen in die zweite Verteidigungslinie bei Otscheretyne rückten russische Einheiten derzeit jeden Tag 500 bis 1.000 Meter in Richtung Westen und Pokrowsk vor, erläuterte der Oberst. Die Ukraine habe bisher erfolglos versucht, diesen Vormarsch aufzuhalten.

Russische Truppen befanden sich laut Medienberichten vom Donnerstag und Freitag nur noch etwa 10 Kilometer östlich der in der Region Donezk gelegenen Stadt, in der vor der russischen Invasion der Ukraine 85.000 Einwohner lebten. Derzeit befänden sich 50.000 Menschen in der Stadt, sagte am Freitag die Vizechefin der lokalen Militärverwaltung, Marharyta Idrissowa, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender „Suspilne“. Verwaltungschef Serhij Dobrjak hatte am Donnerstag die Einwohnerinnen und Einwohner seiner Stadt in einer dramatischen Ansprache zur Evakuierung aufgefordert: Der Feind feuere zynisch auf kritische Infrastruktur sowie Wohnhäuser und es gebe Tote, berichtete Dobrjak. „Die Situation wird nur schlimmer werden und nicht besser“, erklärte er.

Die aus einem Eisenknotenpunkt gewachsene Stadt, die bis 2016 den Namen Krassnoarmejsk trug, ist für die Ukraine nicht nur in militärischer und logistischer Hinsicht von strategischer Bedeutung. In Pokrowsk befindet sich eines der größten Kohlebergbauunternehmen der Region, wo unter anderem Koks für die ukrainische Metallindustrie abgebaut wird. Bedrohlich wäre eine russische Einnahme der Stadt in Folge aber auch für zentrale ukrainische Wirtschaftsstandorte: Möglich wäre dann ein weiterer russischer Vormarsch in Richtung der äußerst relevanten Industriestadt Pawlograd, die sich 100 Kilometer westlich von Pokrowsk in der Region Dnipropetrowsk befindet.

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