Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat erneut mit einem Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem provoziert. Dabei forderte er, jüdisches Gebet an dem Ort zuzulassen. In einem vor Ort gedrehten und auf X veröffentlichten Video sprach Ben-Gvir sich zudem erneut gegen Verhandlungen mit der Hamas über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sowie die Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln aus.

Palästinenser fürchten sich vor größerem israelischen Einfluss

Der Tempelberg (Al-Haram al-Sharif) mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Der Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Laut einer Vereinbarung mit den muslimischen Behörden dürfen Juden die Anlage besuchen, dort aber nicht beten. Dagegen gibt es jedoch immer wieder Verstöße.
Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu teilte nach Ben-Gvirs Besuch mit, dass Israels Politik sich auf dem Tempelberg nicht geändert habe. „Es gibt keine Privatpolitik eines Ministers.“

Im Hintergrund des von Ben-Gvir veröffentlichten Videos sind Gebete zu hören. Israelische Medien veröffentlichten zudem Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Dutzende jüdische Gläubige während des Besuchs des Ministers beten. Ben-Gvir hatte die Vereinbarung mit den muslimischen Behörden in der Vergangenheit als „rassistisch“ und Diskriminierung gegen Juden kritisiert. Die Palästinenser befürchten, Israel wolle seine Kontrolle der heiligen Stätte ausweiten.

Laut Videobotschaft kam Ben-Gvir anlässlich des jüdischen Fasten- und Trauertags Tischa BeAv, an dem religiöse Juden die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem betrauern. Israelischen Medien zufolge kamen insgesamt knapp 2.000 Juden am Morgen auf den Tempelberg. Die Palästinensische Autonomiebehörde verurteilte dies. Ein UN-Sprecher nannte das Vorgehen des Ministers „nicht hilfreich und eine unangemessene Provokation“.

International hagelt es scharfe Kritik

Auch aus Ägypten kam Kritik an der „verantwortungslosen und provokativen“ Aktion. Jordaniens Außenministerium sprach von anhaltenden Verstößen gegen den Status quo auf dem Tempelberg. Saudi-Arabien, mit dem die USA vor Ausbruch des Gaza-Kriegs Gespräche über eine mögliche Normalisierung der Beziehungen mit Israel geführt hatten, kritisierte aufs Schärfste das wiederholte Eindringen israelischer Regierungsvertreter und Bürger in die Stätte. Der Golfstaat Katar äußerte sich ähnlich kritisch.

Der Tempelberg hat hohe Symbolwirkung
Der Tempelberg hat hohe Symbolwirkung © APA

Auch die US-Regierung verurteilte den Besuch Ben-Gvirs am Tempelberg scharf. „Lassen Sie mich klar und deutlich sagen, dass die Vereinigten Staaten fest für die Bewahrung des historischen Status quo in Bezug auf die heiligen Stätten in Jerusalem eintreten“, sagte der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, auf Nachfrage in Washington. „Jede einseitige Aktion, die diesen Status quo gefährdet, ist inakzeptabel.“

Patel erklärte, man achte in den USA „sehr genau“ auf Handlungen, die „zu größerer Unsicherheit und Instabilität in der Region beitragen“. Ben-Gvirs Aktion falle darunter und lenke davon ab, die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg „über die Ziellinie“ zu bringen sowie schlussendlich eine Zweistaatenlösung zu erreichen. „Wir wissen, wie wichtig die heilige Stätte ist“, sagte Patel. „Wir fordern daher alle Seiten auf, den Status quo zu respektieren.“

Auch das französische Außenministerium teilte mit, man verurteile den Besuch. „Diese neue Provokation ist inakzeptabel.“ Die israelische Regierung müsse alles tun, damit der historische Status quo respektiert werde. Israels Oppositionsführer Yair Lapid kritisierte Ben-Gvirs „Wahlkampf auf dem Tempelberg“, der im Widerspruch zur Position der Sicherheitskräfte des Landes stehe und Leben gefährde. Er sprach von einer „Gruppe verantwortungsloser Extremisten“ innerhalb der Regierung.