Mehr als 100 israelische Geiseln befinden sich noch in den Händen der radikal-islamischen Hamas. Gleichzeitig wird die Situation für palästinensische Zivilisten in Gaza immer verheerender. Verhandlungen über die Befreiung der Geiseln oder einen Waffenstillstand kommen seit Monaten kaum voran.
„Keine Ausreden mehr“
Jetzt wagen die Staatsoberhäupter von Ägypten, Katar und den USA einen neuen Vorstoß. In einem kurzen gemeinsamen Statement drängen US-Präsident Joe Biden, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani am Donnerstag auf eine Einigung. „Es gilt, keine weitere Zeit zu verschwenden und es gibt für alle Beteiligten keine Ausreden mehr für eine weitere Verzögerung“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme.
„Wir haben über mehrere Monate hinweg unermüdlich daran gearbeitet, eine Rahmenvereinbarung zu schmieden. Die liegt jetzt auf dem Tisch, es fehlen nur noch die Details zur Implementierung“, schreiben die Staatschefs. Sie fordern ein Treffen der Verhandler am kommenden Donnerstag, dem 15. August in Kairo oder Doha.
Netanjahu bremst Verhandlungen
Wenige Minuten nach Veröffentlichung der Stellungnahme erklärte sich Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bereit, israelische Verhandler zum gewünschten Termin in eine der beiden Städte zu entsenden. Wie groß seine Bereitschaft für einen Waffenstillstand tatsächlich ist, bleibt jedoch abzuwarten. Ende Juli tötete Israel den politischen Führer der Hamas, Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran. Für US-Präsident Joe Biden kam diese Operation zur Unzeit. Er warf Netanjahu vor, die angeblich weit fortgeschrittenen Verhandlungen damit zu torpedieren. „Geholfen hat es uns nicht“, sagte Biden gegenüber Journalisten.
Hinter den Kulissen tobt schon länger ein Konflikt zwischen Netanjahu und hohen israelischen Sicherheitsbeamten: Sie werfen ihrem Premierminister vor, immer weitere Forderungen auf den Verhandlungstisch zu legen, die eine Einigung mit der Hamas verunmöglichen. Dabei geht es zum Beispiel um die Bedingung, dass Israel nach den Kampfhandlungen sogenannte „Checkpoints“ rund um eine strategisch wichtige Autobahn in Gaza etablieren dürfe. Derartige Checkpoints gibt es bereits im Westjordanland, wo israelische Soldaten die Bewegungsfreiheit der dort lebenden Palästinenser kontrollieren und einschränken.
In Tel Aviv gehen regelmäßig Tausende Menschen auf die Straße, um von der Regierung mehr Einsatz für die Befreiung israelischer Geiseln zu fordern. Netanjahu selbst sieht die Schuld für das Verhandlungspatt bei der Hamas, die bei ihren Forderungen nicht nachgeben würde.
Während die Verhandlungen stocken, gibt es immer mehr internationale Kritik an Israel. Vor kurzem wurden die Siedlungen im Westjordanland von den Vereinten Nationen als illegal erklärt. Und rechtsextreme Regierungsmitglieder wie Finanzminister Bezalel Smotrich sorgen immer wieder mit radikalen Aussagen für Entsetzen. Er sagte am Mittwoch in Bezug auf Hilfslieferungen für Gaza: „Niemand auf der Welt wird uns erlauben, zwei Millionen Menschen hungern zu lassen. Obwohl das moralisch gerechtfertigt sein könnte, um die Geiseln zu befreien.“
Waffenstillstand als Wahlkampfziel
US-Präsident Biden hat einen Waffenstillstand in Gaza zum wichtigsten Ziel seiner verbleibenden Amtszeit gemacht. Sein Erfolg oder Misserfolg wird sich jedenfalls auch auf den US-Wahlkampf auswirken. Vizepräsidentin und demokratische Kandidatin Kamala Harris steht bei dem Thema unter großem Druck, denn viele junge demokratische Wähler solidarisieren sich mit den Palästinensern. Sie wollen ein Ende der US-Unterstützung für den israelischen Krieg in Gaza.