Es rumort auf Santorin. Aber das ist nicht der Vulkan, dessen Ausbruch vor 3600 Jahren der Insel ihre Form gab. Die Menschen grummeln. Immer mehr Touristen fluten die griechische Kykladeninsel. Den Einheimischen ist es zu viel.
Vergangenes Jahr besuchten 3,4 Millionen Urlauber Santorin. 1,3 Millionen von ihnen kamen mit Kreuzfahrtschiffen. Das war ein Anstieg von 57 Prozent gegenüber 2022. Jetzt, in der Hochsaison, gehen an manchen Tagen gleich mehrere dieser schwimmenden Riesen in der Bucht von Santorin vor Anker. Dann bringen Hunderte Reisebusse die Besucher über enge Serpentinen hinauf in die malerischen Orte Thira, Imerovigli, Oia und Akrotiri. Dort drängen sich die Menschen durch die engen Gassen. 800 Mal steuerten Kreuzfahrtschiffe im vergangenen Sommer Santorin an. In diesem Jahr sollen es 815 sein.
Es war ein ungewöhnlicher, aber auch nachvollziehbarer Appell, den Panos Kavallaris, Ortsvorsteher der Gemeinde Thira, kürzlich über die sozialen Netzwerke verbreitete: „Achtung, Ausnahmezustand! Ein weiterer schwieriger Tag für unseren Ort und unsere Insel: 17.000 Besucher von Kreuzfahrtschiffen werden heute erwartet!“ Der Lokalpolitiker mahnte seine Mitbürger zudem, „vorsichtig“ zu sein und ihre Wohnungen möglichst nicht zu verlassen.
Lockdown für die Einheimischen, damit die Touristen mehr Platz haben? Der Vorgang zeigt: Die Stimmung ist gereizt auf Santorin. Mit Mykonos, Kreta und Rhodos gehört die Insel zu den Flaggschiffen der griechischen Fremdenverkehrswirtschaft. Aber der Tourismusboom bringt die Infrastruktur der 76 Quadratkilometer großen Insel an ihre Grenzen. Reisebusse, Lieferwagen und Mietautos verstopfen die engen Straßen. „Unser Wasserverbrauch ist seit 2012 um 140 Prozent gestiegen, der Stromverbrauch hat sich gegenüber 2019 fast verdoppelt“, berichtet Inselbürgermeister Zorzos. Um die Hotelpools zu füllen und den ausländischen Gästen Duschen ohne Ende zu bieten, werden die spärlichen Wasserressourcen geplündert.
„Unsere Insel wird ein Monstrum“
Bei vielen der 20.000 ständigen Einwohner der Insel liegen die Nerven blank. Sogar manchen Hoteliers wird es unheimlich. „Unser Lebensstandard hat sich in den letzten Jahren verschlechtert“, sagte Georgios Damigos der Nachrichtenagentur Reuters. Damigos führt ein 14-Zimmer-Hotel, das seine Eltern in den 1980er-Jahren eröffneten. „Santorin ist ein Wunder der Natur“, sagt Damigos, aber jetzt laufe die Insel Gefahr, sich zu einem „Monstrum“ zu entwickeln. Die Geduld der Menschen wird auf eine harte Probe gestellt. Auf der Suche nach Handymotiven und Selfie-Locations dringen viele Touristen sogar in private Gärten ein und trampeln auf die Dachterrassen der Häuser. Bisher setzen die meisten Bewohner auf höfliche Appelle. An vielen Häusern hängen Schilder mit „Respekt! Es ist euer Urlaub, aber es ist unser Zuhause.“
Santorin fordert Baustopp
Es ist das alte Dilemma. Einerseits lebt die Insel vom Tourismus. Andererseits leidet sie darunter. Nach einer Studie des Verbandes der griechischen Tourismusunternehmen (Sete) steuert der Fremdenverkehr direkt und indirekt ein Drittel zum griechischen Bruttoinlandsprodukt bei. Auf vielen Inseln ist der Anteil des Tourismus an der lokalen Wertschöpfung noch viel höher. Aber zugleich zerstört das ungebremste Wachstum die Existenzgrundlage der Einheimischen. Santorin ist zu fast 20 Prozent bebaut, dichter als die griechische Hauptstadtprovinz Attika. Bürgermeister Zorzos fordert deshalb von der Zentralregierung in Athen einen sofortigen Baustopp: Die Insel könne „kein einziges zusätzliches Hotelbett, kein weiteres Fremdenzimmer mehr verkraften“, sagt Zorzos.
Das größte Problem bleiben allerdings die Kreuzfahrtschiffe. An manchen Tagen gehen fast 20.000 Kreuzfahrtgäste an Land. Laut Forschern der Universität der Ägäis kann die Infrastruktur der Insel pro Tag höchstens 8000 Besucher verkraften. In Verhandlungen mit den Kreuzfahrtreedereien hofft Bürgermeister Zorzos, die täglichen Besucherzahlen ab 2025 auf dieses Niveau zu begrenzen. Die Regierung in Athen diskutiert indes, die Zahl der Kreuzfahrtbesucher mittels höherer Gebühren zu regulieren. Bisher ist der Landgang in Santorin spottbillig: 35 Cent führen die Kreuzfahrtreedereien pro Passagier an die Hafengesellschaft ab.