Die Entscheidung ist heikel, jetzt ist sie gefallen: Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota, ist der designierte Vizepräsident von Kamala Harris, die für die Demokraten als Präsidentin antritt. Das kündigte Harris am Dienstag auf Instagram an. Auch der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, war im Rennen gewesen und der Senator und frühere Astronaut Mark Kelly. Walz hatte sich durchgesetzt, weil er Talent hat, gegen Republikaner verbal scharf zu schießen. Er prägte den im Moment sehr erfolgreichen Wahlkampfslogan, Trump und seine Republikaner seien „merkwürdig“.
Video: Tim Walz, der Running-Mate
Der 60-Jährige, der als Lehrer und Football-Trainer begonnen hat, gilt als liberal und politikerfahren. Seit sechs Jahren regiert er den Bundesstaat im Mittleren Westen. Minnesota, das an Kanada grenzt, hat fast sechs Millionen Einwohner und ist ein wichtiger Swing State, den die Demokraten gewinnen müssen.
Walz soll bei weißen Arbeitern punkten
Zuvor war Walz zwölf Jahre im Repräsentantenhaus in Washington und hat damit mehr Politikerfahrung als Harris. Er gilt als „bipartisan“, also jemand, der im Kongress öfter mit Republikanern zusammenarbeitet. Zugleich hat Walz sich mehrfach gegen Republikaner in traditionell republikanischen Landstrichen durchgesetzt. Damit kann er durchaus eine kampfstarke Ergänzung zu Kamala Harris im Wahlkampf sein, die als nichtweiße Frau einen eher traditionellen und männlichen Kandidaten, also einen bewussten Kontrast, als Vize gesucht hatte – denn die Demokraten müssen sich sorgen, bei der Wahl im November die weißen Arbeiter des Mittleren Westens nicht zu verlieren.
Walz wirkt bodennah und volkstümlich, aber seine Politik ist eher liberal. Er tritt für das Recht auf Abtreibung und Verhütung ein — die Republikaner bekämpfen beides. Ursprünglich ein Vertreter des Rechts auf Waffenbesitz, ist er seit einer Massenschießerei in einer Schule in Florida für Waffenkontrolle. Er verbrachte 24 Jahre in der Nationalgarde, die hauptsächlich für den Katastrophenschutz im Inland zuständig ist; während des Irakkrieges war er in Norwegen stationiert.
Die neueste Folge von „WTF“-America
Walz hat die Unterstützung von Nancy Pelosi, der langjährigen Fraktionsvorsitzenden der Demokraten im Repräsentantenhaus, die auch die treibende Kraft war, US-Präsident Joe Biden mit Harris als Kandidatin zu ersetzen. Er wird von der (linken) American Civil Liberties Union unterstützt, der Anwaltsvereinigung für Immigranten, und von den Gewerkschaften, darunter die Dachorganisation AFL-CIO und die Teamsters, die Lastwagenfahrer vertreten.
Donald Trump, der für die Republikaner antritt, verlor keine Zeit, aus allen Rohren auf Walz zu schießen. Dieser sei ein Ultraliberaler, der Operationen an Geschlechtsteilen bei Minderjährigen gestatte. Zudem habe Walz zugesehen, wie Minneapolis, die größte Stadt in Minnesota, bei den Black-Lives-Matter-Aufständen vom Mai 2020 gebrannt habe.
Das stimmt so nicht. Nach dem Tod des schwarzen Kleinkriminellen George Floyd, den ein Polizist in Minneapolis getötet hatte, waren dort und in der Hauptstadt St. Paul Aufstände ausgebrochen, die sich auf das ganze Land ausgeweitet hatten. Damals wurden in fünf Tagen mehr als tausend Gebäude zerstört oder beschädigt, darunter eine Polizeistation. Zwei Menschen kamen um. Walz hatte zunächst öffentlich den Tod von Floyd beklagt, letztlich aber mehr als 7000 Soldaten der Nationalgarde mobilisiert, um den Aufstand niederzuschlagen.
Harris selbst legt in den Umfragen langsam, aber kontinuierlich zu. Nach einer neuerlichen Umfrage des Senders CBS liegt sie um einen Prozentpunkt vor Trump, was allerdings immer noch zu knapp ist, um eine verlässliche Aussage zu treffen. Wie sich Walz als Vize auswirkt, werden die nächsten Wochen zeigen.