Die britische Regierung will den gewalttätigen Ausschreitungen durch Rechtsextremisten im Land mit harter Strafverfolgung begegnen. Premierminister Keir Starmer kündigte nach einer Sitzung des Krisenstabs Cobra an, ein „stehendes Heer an spezialisierten Beamten“ aufzustellen, um mit den Ausschreitungen fertig zu werden. Zudem sollen die Strafverfolgungsverfahren beschleunigt werden. Es habe bereits Hunderte Festnahmen gegeben und einige seien schon vor Gericht erschienen.
Harte Reaktion versprochen
Krawallmacher sollten zudem öffentlich an den Pranger gestellt werden, fügte der Premier hinzu: „Ich habe darum gebeten, die Beteiligten so früh wie möglich namentlich zu identifizieren. Sie werden die volle Härte des Gesetzes spüren.“ Der frühere britische Chefankläger hatte sich bereits im Vorfeld der Sitzung mit klaren Worten an die Unruhestifter gewandt. „Ich garantiere Ihnen, Sie werden es bereuen, an diesen Unruhen teilgenommen zu haben“, sagte er vor der Cobra-Sitzung, an der neben Ministern auch Polizeivertreter teilnahmen.
Für den erst seit einem Monat amtierenden Regierungschef sind die Ausschreitungen die erste Bewährungsprobe. Starmer scheint dafür gut gerüstet. Er war Chef der Anklagebehörde Crown Prosecution Service (CPS), als englische Städte im August 2011 von schweren Krawallen erschüttert wurden. Auslöser waren tödliche Schüsse der Polizei auf einen Mann mit irisch-jamaikanischen Wurzeln. Die Krawalle begannen in London und breiteten sich auf weitere Großstädte aus. Damals tagten die Gerichte 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, um den Verdächtigen im Akkord den Prozess zu machen. Dies steht auch diesmal im Raum.
Forderungen nach einem Einsatz des Militärs, unter anderem vom schottischen Ex-Regierungschef Humza Yousaf, lehnte die Regierung ab. Im Zuge der Krawalle in englischen und nordirischen Städten wurden in den vergangenen Tagen etliche Polizisten verletzt, Fahrzeuge angezündet und Gebäude attackiert. Hunderte Randalierer wurden Medienberichten zufolge festgenommen. Der Sender BBC gab die Zahl der Festgenommenen mit mindestens 250 an.
Am Wochenende waren im Zuge der Ausschreitungen zwei Hotels attackiert worden, in denen Asylwerber untergebracht sein sollen. Hunderte Randalierer hatten sich am Sonntag in Rotherham in der Grafschaft South Yorkshire vor einem Hotel versammelt, Fenster eingeschlagen und Feuer gelegt. Auch die Polizei wurde mit Wurfgeschossen attackiert. Mehrere Beamte wurden verletzt. Ein Anrainer äußerte sich gegenüber dem Sender BBC harsch über die Randalierer. „Das sind nur Hooligans, die einen Grund suchten, um Ärger zu machen.“ Wer auch immer diese Gewalt zu rechtfertigen versuche, sei „eine absolute Witzfigur“, empörte sich der Mann. Ähnliche Szenen wie in Rotherham spielten sich am Abend bei einem Hotel in Tamworth nahe Birmingham ab.
In den Tagen davor war es in verschiedenen englischen und nordirischen Städten zu Angriffen auf Moscheen sowie zu Zusammenstößen mit der Polizei und teilweise mit Gegendemonstranten gekommen. Das Innenministerium kündigte an, Moscheen besser vor Übergriffen zu schützen.
Denkzettel zum Thema
Zum Anlass nehmen die rechtsextremen Randalierer den tödlichen Angriff auf einen Tanzkurs in Southport nahe Liverpool am vergangenen Montag, bei dem drei Kinder getötet und mehrere Menschen schwer verletzt wurden. Im Internet waren zuvor Falschnachrichten verbreitet worden, wonach der mutmaßliche Angreifer ein Asylwerber mit muslimischem Namen gewesen sein soll. Die Polizei widersprach dem. Inzwischen wurde der Name des Verdächtigen veröffentlicht. Es handelt sich um einen in Großbritannien geborenen 17-Jährigen, dessen Eltern aus Ruanda stammen. Das Motiv für die Tat ist unklar.
Social Media unter der Lupe
Innenministerin Yvette Cooper kündigte auch ein entschiedenes Vorgehen gegen kriminelles Verhalten im Internet an. Die Organisation der Krawalle, das Befeuern der Spannungen und die Verbreitung von Falschinformationen seien mithilfe sozialer Medien stark befördert worden, sagte die Politikerin dem Nachrichtensender Sky News. „Wir erwarten auch ein Vorgehen gegen diejenigen, die kriminelles Material gepostet haben und werden sicherstellen, dass die Social-Media-Unternehmen Verantwortung übernehmen“, fügte Cooper hinzu.
Zu den Aktivitäten des verurteilten Rechtsextremisten Stephen Yaxley-Lennon, auch bekannt als Tommy Robinson, der als prominentester Rechtsextremer in Großbritannien gilt und in den vergangenen Tagen auf Social Media Vorurteile geschürt hatte, wollte sich ein Regierungssprecher nicht konkret äußern. Nicht auszuschließen sei aber, dass hinter der Verbreitung von Falschinformationen durch Bots im Internet auch staatliche Akteure stünden, sagte er.
Kritik an der Regierung kam von dem früheren Innenminister James Cleverly von den oppositionellen Konservativen, der sich nach der Wahlniederlage vor vier Wochen um die Nachfolge von Tory-Parteichef Rishi Sunak bewirbt. Die Cobra-Sitzung sei viel zu spät einberufen worden, sagte Cleverly Sky News. Er betonte, die Krawallmacher repräsentierten nicht das Land, das offen und tolerant sei. Rechtspopulist und Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage verurteilte die Gewalt in einer Mitteilung ebenfalls, nachdem er zuvor in einem Video Verständnis für die Anliegen der Krawallmacher angedeutet hatte.
Elon Musk irritiert
Während die Politik mit Untersuchungen zum Fall beschäftigt ist, hat sich auch Elon Musk zu Wort gemeldet. Der „X“-Chef hat demnach unter einem Video, in dem mehrere Ausschreitungen zu sehen sind, geschrieben: „Ein Bürgerkrieg ist unvermeidlich“.
Zuletzt hatte Musk immer öfter mit fragwürdigen Äußerungen auf seiner Social-Media-Plattform für Aufsehen gesorgt. Der Milliardär, der als überzeugter Unterstützer von Donald Trump im US-Wahlkampf auftritt, hat auch „X“ seit seiner Übernahme schrittweise nach rechts gezogen.