Angesichts eines befürchteten Angriffs des Iran und seiner Verbündeten auf Israel laufen die diplomatischen Bemühungen zur Beruhigung der Lage in Nahost auf Hochtouren. Israel kann bei einem Vergeltungsangriff des Irans fest mit Verteidigungshilfe durch das US-Militär rechnen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sicherte „eiserne Unterstützung“ zu. Ein iranischer Sprecher betonte am Montag, es sei nötig, Israel zu „bestrafen“, um weitere Instabilität zu verhindern.
Austin sprach am Sonntagabend (Ortszeit) mit seinem israelischen Kollegen Yoav Galant am Telefon nach Angaben des Pentagon auch über amerikanische Truppenverlegungen als Sicherheitsmaßnahme – um den Schutz der US-Streitkräfte zu erhöhen, Israels Verteidigungsfähigkeit zu stärken sowie zum Zweck der Abschreckung und um Spannungen in der Region zu entschärfen, wie es hieß. Austin habe sich zudem für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und ein Abkommen zur Freilassung der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln starkgemacht, teilte sein Ministerium weiter mit.
Iran will Israel „bestrafen“
Der Iran hält unterdessen an seinen Drohungen gegen Israel fest. Man strebe zwar keine Eskalation der Spannungen in der Nahost-Region an, sagt ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran. Es sei aber notwendig, Israel zu bestrafen. Der Iran macht Israel für die Tötung des Hamas-Anführers Ismail Haniyeh in Teheran in der vergangenen Woche verantwortlich und hat mit Vergeltung gedroht. Israel hat sich zum Tod Haniyehs nicht geäußert.
US-Präsident Joe Biden wird am Montag (Ortszeit) sein Nationales Sicherheitsteam zu einer Lagebesprechung über die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten ins Weiße Haus einberufen, auch Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris soll daran teilnehmen. Außerdem will Biden mit dem jordanischen König Abdullah II. sprechen, teilte das Präsidialamt mit. Jordanien gilt als wichtiger Verbündeter der USA in der Region und spielt eine zentrale Rolle bei Vermittlungsbemühungen im Nahostkonflikt.
Der jordanische Außenminister Ayman Safadi reiste seinerseits zu einem Besuch nach Teheran – dem ersten seit Jahrzehnten. Dort sprach er am Sonntag mit seinem Kollegen Ali Bagheri und traf mit Präsident Masoud Pezeshkian zusammen, wie lokale Medien berichteten. Jordaniens König Abdullah warnte seinerseits vor „noch mehr Chaos“ im Nahen Osten. Derweil betonte US-Außenminister Antony Blinken in einem Telefonat mit dem irakischen Regierungschef Mohamed Shia al-Sudani die Notwendigkeit, die regionalen Spannungen abzubauen.
Iran spricht von Vergeltungsschlag „in den nächsten Tagen“
Bei dem Angriff des Iran auf Israel im April hatte Jordanien Israel dabei unterstützt, die iranischen Geschosse abzufangen. Vor fast fünf Monaten hatte der Iran Israel erstmals direkt von seinem Staatsgebiet aus mit mehr als 300 Raketen und Drohnen attackiert. Der Iran stellte damals den Angriff auf Israel als angemessene Reaktion für die Tötung von zwei iranischen Generälen bei einem Luftangriff auf die Botschaft Teherans in Syrien Anfang April dar.
Angesichts der jüngsten Drohungen des Iran mit einem Angriff auf Israel ist weiter unklar, wann und wie der angedrohte Vergeltungsschlag erfolgen könnte. In den Erklärungen der iranischen Führung und der mit ihr verbündeten libanesischen Hisbollah-Miliz war immer wieder von den „nächsten Tagen“ die Rede.
Das Nachrichtenportal Axios berichtete unter Verweis auf die Einschätzungen dreier amerikanischer und israelischer Regierungsbeamter, dass der Iran bereits ab dem heutigen Montag angreifen könnte. Dies habe US-Außenminister Blinken auch seinen Kollegen in einer Schalte der Chefdiplomaten der sieben großen westlichen Industrienationen (G7) gesagt. Demnach nannte er bei den Beratungen am Sonntag ein Zeitfenster von 24 bis 48 Stunden.
G-7-Außenminister sind besorgt
Die Außenminister der G7-Staaten hatten am Sonntag per Videokonferenz über die Lage im Nahen Osten beraten. „Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir unsere große Besorgnis über die jüngsten Ereignisse zum Ausdruck gebracht“, erklärte Italiens Außenminister Antonio Tajani. Die Außenminister bekräftigten „die Priorität eines positiven Abschlusses der Verhandlungen über die Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln“ und kündigten eine Verstärkung der humanitären Hilfe an.
Unterdessen ertönte in der Nacht zu Montag in Ober-Galiläa im Norden Israels erneut Luftalarm. Zuvor hatte die israelische Armee erklärt, dass sie „zahlreiche verdächtige Luftziele aus dem Libanon identifiziert“ habe.
Der Iran spricht Israel das Existenzrecht ab und unterstützt sowohl die Hamas im Gazastreifen als auch mit ihr verbündete islamistische Milizen wie die Hisbollah im Libanon und die Houthis im Jemen. Auch im Irak und Syrien sind vom Iran unterstützte islamistische Milizen aktiv.
Seit dem beispiellosen Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen greift auch die Hisbollah Israels Norden nahezu täglich an. Nach der gezielten Tötung des ranghöchsten Hisbollah-Kommandanten Fuad Shukr durch die israelische Armee in Beirut und dem Israel zugeschriebenen tödlichen Angriff auf Hamas-Chef Haniyeh in Teheran und darauf folgenden Vergeltungsdrohungen wird ein regionaler Flächenbrand befürchtet.