Er sei stolz darauf, das Netzwerk des Mossad im Iran zerstört zu haben, sagte der iranische Geheimdienstchef Esmail Khatib vor wenigen Tagen einem Fernsehreporter. Kurz darauf schoss Israel eine Rakete in ein staatlich geschütztes Gästehaus in Teheran und tötete Hamas-Chef Ismail Hanija. Die Unterwanderung des iranischen Sicherheitsapparats durch den israelischen Geheimdienst ist nicht nur peinlich für das Regime in Teheran, sie entscheidet auch mit darüber, wie der Iran auf Hanijas Tod reagieren soll.

Tausende trauerten um toten Hamas-Chef

Revolutionsführer Ali Khamenei betete mit Tausenden Iranern in Teheran an Hanijas Sarg. Der Hamas-Chef soll heute in Katar beigesetzt werden. „Es ist unsere Pflicht, Rache zu üben“, sagte Khamenei, der das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen im Iran hat. Offenbar befürchtete das Regime neue Angriffe Israels: Während der Trauerfeier galt ein Flugverbot über Teheran. Videos im Internet zeigten, wie Khamenei bei der Feier mehrmals zum Himmel schaute.

Der Revolutionsführer ordnete laut „New York Times“ als Vergeltung für Hanijas Tod iranische Militärschläge auf israelisches Territorium an. Die iranische Revolutionsgarde hat Tausende Raketen mit der nötigen Reichweite. Nicht, dass Israel öffentliche Hinweise der Iraner braucht. Der Mossad wusste so genau über Hanijas Domizil in Teheran Bescheid, dass die israelische Rakete nach Hamas-Angaben präzise in dem Zimmer einschlug, in dem der 62-Jährige schlief. Hanija war in einem Teheraner Gästehaus untergebracht, das laut Medienberichten von der Auslandstruppe der Revolutionsgarde verwaltet wird – der Elite der Streitkräfte.

„Bevor der Iran etwas zur Vergeltung unternimmt, ist eine zentrale Frage zu beantworten: Wie tief hat Israel die iranischen Geheimdienst- und Sicherheitsapparate infiltriert?“, sagt Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington. Bei der Vorbereitung des Gegenschlages muss das Regime einkalkulieren, dass Israel von Irans Plänen vorab erfährt.

Vor der Beisetzung von Hanija ist ein Angriff auf Israel unwahrscheinlich. Iranische Planer brauchen Zeit, um den Angriff auf Israel und die Reaktion auf einen möglichen Gegenschlag von Israel oder den USA zu organisieren. Israel und die USA werden versuchen, diese Zeit zu nutzen, um ein ähnliches Luft-Abwehrschild aufzubauen wie im April. Eine bloße Wiederholung der iranischen Reaktion vom April dürfte es nicht geben. Khamenei muss den verunsicherten iranischen Verbündeten in der Region nach der Schmach des Attentats auf Hanija mehr bieten als reine Symbolik.

„Alles auf Israel zu werfen, was er hat“

Wenige Stunden vor Hanija hatte Israel den Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in Beirut getötet. Das israelische Militär bekannte sich nun zur Tötung von Hamas-Militärchef Mohammed Deif bei einem Luftangriff in Gaza vor zwei Wochen. Anders als im April dürften nach Einschätzung von Vatanka beim neuen Vergeltungsschlag gegen Israel nicht nur die iranischen Streitkräfte eingesetzt werden, sondern auch iranische Verbündete in der Region. Die Frage sei, ob der Moment für den Iran gekommen sei, „alles auf Israel zu werfen, was er hat“.

Deshalb könnte es einen Drei-Fronten-Angriff der Iraner und ihrer Hilfstruppen in Nahost auf Israel geben: von den jemenitischen Huthi-Rebellen im Süden, der Hisbollah im Libanon von Norden und pro-iranischen Milizen im Irak und dem Iran selbst von Osten. Massenbeschuss mit Raketen und Drohnen könnte selbst Israels modernes Abwehrsystem überfordern.