Israel hat den Militärchef der militanten Palästinenser-Organisation Hamas, Mohammed Deif, für tot erklärt. Deif sei Mitte Juli bei einem massiven Luftangriff im Gazastreifen getötet worden, teilte die israelische Armee mit. Binnen kurzer Zeit sind damit drei der einflussreichsten Männer von Iran-unterstützten, israelfeindlichen Organisationen getötet worden. Der Iran und die Hamas haben Rache geschworen, in Israel herrscht höchste Alarmbereitschaft.
Deif galt als einer der zentralen Drahtzieher des Groß-Terrorangriffs auf Israel vom 7. Oktober und war Chef der Qassam-Brigaden und Stellvertreter des Gaza-Chefs der Hamas, Yahya Sinwar. „Die IDF (Israelische Streitkräfte) geben bekannt, dass IDF-Kampfjets am 13. Juli 2024 in der Gegend von Khan Younis angegriffen haben. Nach einer Auswertung des Geheimdienstes kann bestätigt werden, dass Mohammed Deif bei dem Angriff eliminiert wurde“, teilte das Militär mit. Von der Hamas war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Die Mitteilung der Armee erfolgte einen Tag nach der Tötung des Auslandschefs der Hamas, Ismail Haniyeh, in Teheran. Auch Haniyeh galt als Drahtzieher des Großangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober.
Vor Bekanntgabe der Tötung Deifs hatte nicht nur die Tötung Haniyehs sondern auch die Tötung eines Hisbollah-Kommandanten in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu höchster Anspannung im Nahen Osten geführt. In Erwartung möglicher Vergeltungsschläge nach den Angriffen in Beirut und Teheran befindet sich die israelische Armee nach Medienberichten in höchster Alarmbereitschaft. Der israelische Rundfunk meldete am Donnerstag, die Luftabwehr des Landes sei in maximaler Bereitschaft. Israelische Kampfjets patrouillierten demnach im Luftraum des Landes und Bodentruppen an den Grenzen erhöhten ihre Einsatzbereitschaft.
Der Iran und die Hamas hatten Israel mit Vergeltung gedroht. Die Nachricht von der Tötung Haniyehs folgte nur wenige Stunden nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort von Beirut, bei dem laut israelischer Armee Fuad Shukr getötet wurde, ein ranghoher Kommandant der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Nunmehr sind drei der einflussreichsten Männer von Iran-unterstützten, israelfeindlichen Organisationen binnen kürzester Zeit getötet bzw. für tot erklärt worden.
Der israelische Rundfunk berichtete, in Israel rechne man damit, dass die Hisbollah eine „starke Vergeltung“ plane. Ungeachtet der Drohungen hat die israelische Heimatfront ihre Anweisungen an die israelische Zivilbevölkerung bisher nicht verändert.
Der oberste geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, will einem Bericht zufolge einen direkten Angriff auf Israel. Khamenei habe einen entsprechenden Befehl erteilt, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf drei über den Befehl informierte iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der iranischen Elitestreitmacht, den Revolutionsgarden. Fünf mit dem Vorgang vertraute Personen sagten der Nachrichtenagentur Reuters, führende Vertreter des Iran würden noch am heutigen Donnerstag mit Verbündeten der Islamischen Republik im Libanon, Irak und Jemen Vergeltungsmaßnahmen gegen Israel beraten.
Die israelische Armee teilte mit, auf der Basis von Geheimdienstinformationen könne der Tod Deifs bestätigt werden. Kampfjets hätten vor gut zwei Wochen einen „präzisen, gezielten Schlag gegen eine Anlage ausgeführt, in der sich Mohammed Deif und der Kommandant der Khan-Younis-Brigade der Hamas, Rafa Salama, aufhielten“, hieß es in der Mitteilung.
Deifs Gefangennahme oder Tötung war Israels Ziel nach Terrorangriff
Israel hatte sich in seinem Krieg im Gazastreifen in Reaktion auf den 7. Oktober zum Ziel gesetzt, den Hamas-Chef Sinwar und seinen Stellvertreter Deif gefangen zu nehmen oder zu töten. Im März bestätigte die Armee die Tötung des dritthöchsten Hamas-Führers im Gazastreifen, Marwan Issa, bei einem Luftangriff.
Deif und Sinwar gelten als maßgebliche Planer des Massakers in Israel vom 7. Oktober vergangenen Jahres. Damals wurden rund 1.200 Israelis getötet und rund 250 Menschen nach Gaza verschleppt.
Das israelische Militär hatte im vergangenen Monat ein abgezäuntes Objekt in der humanitären Zone zwischen Khan Younis und Al-Mawasi bombardiert, das nach israelischer Darstellung als Basis für Hamas-Terroristen diente. Bei dem Angriff kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 90 Menschen ums Leben, weitere 300 wurden verletzt.
Unter den Toten war nach israelischen Angaben auch Kommandant Salama. Die Armee habe über äußerst zuverlässige nachrichtendienstliche Informationen verfügt, dass sich Deif und Salama zum Zeitpunkt des Angriffs in der Basis aufhielten, sagte ein hochrangiger Militärvertreter danach in einem Online-Briefing für Journalisten.
Deif überlebte jahrelange Tötungsversuche durch Israel
Im Mai hatte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, mehrere Haftbefehle beantragt. Neben Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant auch gegen mehrere Hamas-Anführer - darunter Sinwar und Deif. Khan verfolgt Verbrechen während des Gaza-Kriegs.
Deif hatte zahlreiche Tötungsversuche Israels über die Jahre überlebt. Bis vor gut einem halben Jahr ging man im Land davon aus, dass Deif dabei mehrere Gliedmaßen verloren hat und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen hat. Bis schließlich Aufnahmen auftauchten, die Deif mit beiden Armen und beiden Beinen zeigten. Bei einem Luftangriff auf ein Haus im Gazastreifen gegen Ende des Gaza-Kriegs 2014 kamen seine Ehefrau, sein sieben Monate alter Sohn sowie seine dreijährige Tochter ums Leben. Deif konnte damals noch entkommen.
Im Gazastreifen sind nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seit Beginn der israelischen Militäroffensive Anfang Oktober mehr als 39.480 Menschen getötet worden. Mindestens 91.128 Palästinenserinnen und Palästinenser seien verletzt worden, hieß es am Donnerstag.