Kamala Harris ist die Frau der Stunde: Nach dem Rückzug von Joe Biden setzen der Noch-Präsident und viele Demokraten ihre Hoffnungen ganz auf sie: Harris soll Trump schlagen. Darüber, ob ihr das gelingen kann, streiten jetzt schon Teile der Partei. Ihre Bilanz als Vizepräsidentin ist umstritten: Harris versuchte, ein Abkommen mit den mittelamerikanischen Ländern zu verhandeln, um den Zustrom von Flüchtlingen zu stoppen, das scheiterte. Doch auch vor ihr schaffte das keiner.

In den Umfragen liegt die einstige Senatorin derzeit in etwa gleich auf mit Trump. Allerdings war sie zum Zeitpunkt der Befragungen noch nicht Kandidatin. Im heutigen Amerika, geplagt von ethnischen Geländekämpfen, bietet Harris allen etwas: Sie gilt als schwarz, denn ihr Vater Donald Harris, der aus Jamaika stammt, hat schwarze und irische Wurzeln. Ihre Mutter Shyamala Gopalan stammt aus der indischen Brahmanenkaste, deshalb gilt Kamala auch als asiatisch. Ihr Mann Douglas Emhoff, ein Jurist aus Brooklyn, und ihre Stiefkinder sind jüdischen Glaubens. Sie könnte damit vielfältigere Wählerschichten ansprechen als Trump.

Ihre Eltern waren in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre aktiv. Beide waren Akademiker der oberen Mittelklasse, hatten an Eliteunis studiert. Harris’ erster Job war stellvertretende Generalstaatsanwältin in Alameda, danach wurde sie Chefin der Kriminalabteilung in San Francisco. Harris stieg zur ersten schwarzen Generalstaatsanwältin von San Francisco auf, verfolgte eine harte Linie. Sie setzte eine drakonische Bestrafung für Gewaltverbrechen durch und versuchte darüber hinaus, Waffenschauen in San Francisco verbieten zu lassen. Ärger mit Parteifreunden bekam sie allerdings, als sie Eltern von (meist schwarzen) Schulschwänzern verfolgen ließ, auch wenn keiner davon – anders, als es ihre Gegner behaupteten – im Gefängnis landete. Zugleich könnte sie mit ihrem Faible für Law and Order moderate Konservative ansprechen, denen vor Trump graut.

Als Generalstaatsanwältin von Kalifornien verfolgte Harris den gleichen Kurs: Sie war hart bei der Strafverfolgung, trat aber zugleich für schwarze Bürgerrechte ein, so etwa auch für die Bevorzugung von Schwarzen bei Studienplätzen und Jobs. Sie ging gegen Apple, Amazon, Facebook und Google wegen Verstöße gegen Datenschutz vor und belegte Ölfirmen, die Strände verschmutzten, mit Strafen.

2016, mit Trumps Präsidentschaft, wurde sie Senatorin in Washington, unterstützt von Barack Obama und Joe Biden. Bundesweit bekannt wurde sie, als sie sich hochrangige Trump-Bedienstete und potenzielle Verfassungsrichter vorknöpfte.

In urbanen Milieus zugutekommen wird Harris wohl, dass sie sich in der Debatte um Schwangerschaftsabbrüche klar gegen die von den Republikanern geforderten Verschärfungen stellte – ein Thema, das im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen dürfte. Trumps nominierter Vize J. D. Vance sprach sich sogar gegen Abtreibungen nach Vergewaltigungen aus. Nicht zuletzt könnte Harris als Juristin und ehemalige Staatsanwältin dem mehrfach angeklagten Donald Trump rhetorisch klar überlegen sein.