Joe Biden stellte sich auch in schwierigen Zeiten in den Dienst der Sache. 1972 wurde der Eisenbahnliebhaber aus Scranton, Pennsylvania, am Krankenbett seiner Söhne als Senator vereidigt. Zuvor waren seine Frau Neilia und drei seiner Kinder in einen schrecklichen Autounfall verwickelt worden - Neilia und seine Tochter starben. Biden ließ sich nicht unterkriegen, pendelte zwischen Washington und Deleware - für den Ostküstenstaat war er Senator -, um seiner Rolle als Vater und Senator gerecht zu werden.

Es war der Beginn seiner politischen Karriere, die immer wieder von Rückschlägen und Krisen geprägt war. Drei Mal versuchte er, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Beim ersten Mal scheiterte er im Jahr 1988 kläglich. Die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten blieb ihm verwehrt, unter anderem weil er die Rede des britischen Labour-Vorsitzenden Neil Kinnock einfach abgeschrieben hatte. Dies schadete Biden jedoch nicht nachhaltig. Als Senator erwarb er sich über Jahrzehnte den Ruf eines unermüdlichen Arbeiters, dem es auch gelang, über Parteigrenzen hinweg wichtige Allianzen zu schmieden. Mit dem Republikaner John McCain, der 2008 bei den Präsidentschaftswahlen gegen Barack Obama antrat, verband ihn eine enge Freundschaft.

Senator Biden (rechts) im Gespräch mit Präsident Ronald Reagan im Jahr 1987
Senator Biden (rechts) im Gespräch mit Präsident Ronald Reagan im Jahr 1987 © Wikipedaia

Sein Stottern, das ihn seit seiner Kindheit begleitete, konnte Biden ebenso wenig aufhalten wie private Schicksalsschläge. Biden wurde für seinen außenpolitischen Sachverstand geschätzt und sprach offen aus, was ihm später oft als psychische Schwäche ausgelegt wurde. Schon früh bezeichnete er den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević als Kriegsverbrecher und trat während des Jugoslawienkrieges offen für einen NATO-Einsatz gegen Serbien ein. Der damalige Präsident Bill Clinton unterstützte diese Position später. Immer wieder wurde Biden für höhere Ämter gehandelt. 2004 galt er als aussichtsreicher Kandidat für die Vizepräsidentschaft hinter dem demokratischen Kandidaten John Kerry, wurde es aber nicht. Und weil Kerry die Hauptwahl gegen Amtsinhaber George W. Bush verlor, waren auch die Spekulationen um Biden als möglichen Außenminister hinfällig.

Doch im Januar 2007 wollte es der damals 64-jährige Biden noch einmal wissen. Er kündigte erneut seine Kandidatur für die Demokraten an. Das Rennen war aber schnell wieder vorbei, nachdem er bei den ersten Vorwahlen in Iowa nur 0,93 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Dennoch kam es zur Nominierung. Unter dem Wahlsieger Barack Obama wurde Biden Vizepräsident. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft, die erst durch Obamas Skepsis gegenüber Joe Bidens Fitness 16 Jahre später erschüttert wurde. Während seiner Vizepräsidentschaft kümmerte sich Biden intensiv um die Krisenherde in Europa - zum Beispiel die Ukraine. Die Außenpolitik blieb sein Steckenpferd.

Joe Biden und Barack Obama während der Obama-Präsidentschaft
Joe Biden und Barack Obama während der Obama-Präsidentschaft © Sipa USA via imago-images.de

Dass er 2016 nicht wie andere Vizepräsidenten vor ihm für das höchste Staatsamt kandidierte, war erneut einem schweren Schicksalsschlag geschuldet. Am 30. Mai 2015 starb sein Sohn Beau, der eines Tages in seine politischen Fußstapfen hätte treten können, an einem Gehirntumor. Biden sah sich nicht mehr in der Lage zu kandidieren. So blieb es Hillary Clinton vorbehalten, 2016 gegen den damaligen politischen Quereinsteiger und Außenseiter Donald Trump anzutreten. Das Ergebnis ist bekannt: Clinton verlor, Trump wurde Präsident. Biden, der am Ende seiner Vizepräsidentschaft von Obama für seine großen Verdienste mit der „Presidential Medal of Honor“ ausgezeichnet wurde, blieb in der Politik. Ein Rücktritt kam für ihn nicht in Frage.

2020 gelang Biden der große Wurf. Die zuvor oft zerstrittene Demokratische Partei witterte aufgrund der schlechten Wirtschaftsdaten gute Chancen, Trump zu besiegen und das Weiße Haus zurückzuerobern.Trotz der ersten wenig überwältigenden Vorwahlergebnisse schaffte es Biden im dritten Anlauf, von seiner Partei nominiert zu werden. Dabei half Biden sein Ruf als Zentrist, der die konkurrierenden Flügel innerhalb der Demokraten verbindet. Die Pandemie ersparte dem damals 77-Jährigen anstrengende Wahlkampfauftritte und ermöglichte es ihm, den Wahlkampf bequem von seinem Keller aus zu führen.

Joe Biden und Kamala Harris
Joe Biden und Kamala Harris © AP / Mandel Ngan

Mit dem letzten Puzzleteil, der Nominierung von Kamala Harris als Vizepräsidentschaftskandidatin, setzte Biden schließlich das entscheidende Signal, um die Wahl zu gewinnen. 81 Millionen Bürgerinnen und Bürger wählten Biden im November 2020 zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Noch nie hatte ein Kandidat so viele Stimmen erhalten. Biden war am Ziel. Vier Jahre später muss der Mann, der seinem Land stets gedient hat, erkennen, dass seine Dienste nicht mehr gefragt sind. Trotz starken außenpolitischen Engagements in der Ukraine und in Israel sowie milliardenschwerer innenpolitischer Reformen, etwa im Infrastrukturbereich, nagte das Alter an Biden. Seine Umfragewerte sanken rapide. Donald Trump noch einmal vom Weißen Haus fernzuhalten, war für Biden eine Art Lebensaufgabe. Mit dem Verzicht auf seine Kandidatur hat er dies wieder möglich gemacht.