Der Ärger der Einheimischen auf Mallorca über die Auswirkungen des Massentourismus wächst. Am Sonntagabend gingen wieder viele Bewohner deswegen auf die Straße. Unter dem Motto „Weniger Tourismus, mehr Leben” hatten mehr als 100 Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Gewerkschaften zu einer Großdemo aufgerufen. Ihre Kernforderung lautet: „Kurswechsel: Wir müssen den Tourismus begrenzen.“ Schon im Mai hatten sich mehr als 10.000 Menschen unter dem Motto: „Mallorca ist nicht zu verkaufen“ in der Stadt versammelt.

Die konservative Inselregierung zeigt zwar Verständnis für die Proteste, konnte sich aber bisher zu keinen konkreten Schritten durchringen. Sie sorgt sich derweil, dass die Kundgebungen das Image Mallorcas als Ferienparadies beschädigen könnten. Sie zeigte Verständnis für das Unbehagen in der Bevölkerung, rief die Demonstranten aber auf, die Urlauber zu respektieren. „Wir bitten darum, friedlich zu demonstrieren und die Feriengäste nicht zu stören“, sagte ein Regierungssprecher. Die regionale Ministerpräsidentin der Baleareninseln, Marga Prohens, erklärte: „Die Urlauber sind auf den Balearen willkommen – und das wird auch so bleiben.” Bei einer ähnlichen Demo gegen den Massentourismus in der spanischen Mittelmeermetropole Barcelona war es vor zwei Wochen zu hässlichen Szenen gekommen. Einige radikale Demonstranten hatten Urlauber, die auf den gastronomischen Terrassen beim Essen saßen, mit Wasserpistolen bespritzt. Zudem wurden Feriengäste verbal mit Rufen attackiert wie „Tourists go home”. Einige Restaurants und Hotels wurden von Protestierenden symbolisch mit Absperrbändern geschlossen.

Traumstrand überrollt

Bereits seit Wochen gibt es auf der Insel immer wieder Protestaktionen. Vor einigen Tagen verteilten Aktivisten sogar falsche „Strafzettel“ über 300 Euro an Urlauber, die mit ihren Mietwagen in der Umgebung der kleinen romantischen Bucht Cala Varques geparkt hatten. Der Traumstrand, der früher einmal ein Geheimtipp war, liegt in einem Naturschutzgebiet und ist im Sommer überfüllt. Dieses Paradies galt einmal als eine der schönsten Badebuchten an der Ostküste Mallorcas – bis der Massentourismus diese Idylle überrollte. Tausende Fotos und Videos, die Besucher in den sozialen Netzwerken Instagram und TikTok hochluden, sorgten dafür, dass es auch an diesem Postkartenstrand keine Einsamkeit mehr gibt. 

Die Folge ist ein Besucherchaos: Mangels ausreichender Parkplätze werden der schmale Zufahrtsweg zur Bucht, Grundstückseinfahrten von Anwohnern und sogar die Fahrbahnränder der zwei Kilometer entfernten Küstenstraße zugeparkt. Verbotsschilder, Absperrpfosten und gelbe Linien, die ebenfalls ein Parkverbot signalisieren, werden ignoriert. Die Polizei hat es längst aufgegeben, gegen den täglichen Verkehrskollaps vorzugehen.

„Tourismus-Monokultur“

Deswegen griff eine Bürgerinitiative aus der Inselstadt Manacor, in deren Gemeindegebiet die Bucht liegt, zur Selbsthilfe und klemmte die imitierten Bußzettel hinter die Scheibenwischer. „Strafe – wegen Massenauftriebs” stand über dem inoffiziellen Zetteln. Und darunter: „Angezeigter Tatbestand: Wegen der Tourismus-Monokultur, die Sie konsumieren, sind eine Million Einwohner gezwungen, prekär auf einer Insel ohne Zukunft zu leben.”

Hintergrund ist, dass sich die Inselbewohner von den wachsenden Urlaubermassen an den Rand gedrängt fühlen. Der Tourismus hat die Wohnungsnot verschärft, weil zunehmend Wohnraum in Ferienunterkünfte verwandelt wird. Zudem beklagen die Einheimischen, dass Strände, Städte und Straßen überfüllt seien. Und dass am Boom vor allem Reisekonzerne, Hoteliers und Gastronomen verdienen, aber die Löhne kaum den gesetzlichen Mindesttarif von 1134 Euro brutto übersteigen.

Auf den verteilten Fake-Strafzetteln war zudem ein QR-Code aufdruckt, der bei den Urlaubern für Schrecken sorgte: Nach dem Scannen des Codes wurde auf dem Handy-Bildschirm ein Hackerangriff simuliert. Und zwar mit dem Hinweis, dass Viren installiert, Hotel-Reservierungen gecancelt, der Rückflug geändert worden seien. Auch das war eine erfundene Nachricht, der ein Protestmanifest folgte, in dem die „Zerstörung des Territoriums” beklagt wurde.