Während die Republikaner auf ihrem Parteitag in Milwaukee gut gelaunt Geschlossenheit demonstrieren, spitzt sich die Lage für US-Präsident Joe Biden immer weiter zu. Nach einer kurzen Atempause sieht sich der Demokrat mit neuen Forderungen konfrontiert, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Zugleich macht ihm seine Gesundheit zu schaffen - er wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Ex-Präsident Barack Obama steht Berichten zufolge nicht mehr vorbehaltlos hinter Biden.
Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken
Obama habe in den vergangenen Tagen gegenüber Verbündeten geäußert, dass Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken seien und er der Meinung sei, dass Biden sich ernsthaft fragen sollte, ob die Kandidatur noch aufrechterhalten werden sollte, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf mehrere Personen, die mit Obamas Überlegungen vertraut seien. Obama ist wie Biden Mitglied der Demokratischen Partei.
Der 81-Jährige Biden kam am Mittwochabend (Ortszeit) in seinem Strandhaus in Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware an, wo er sich mit leichten Symptomen zurückzieht, nachdem er wegen des positiven Coronatests eine Wahlkampfreise in Nevada abbrechen musste. Die Erkrankung trifft Biden genau in dem Moment, in dem die Debatte über seine Kandidatur wieder entbrannt ist. Nach dem Attentat auf Trump bei einem Wahlkampfauftritt am Wochenende konnte Biden nur kurz verschnaufen.
Während Biden auf Wahlkampftour in Nevada unterwegs war, forderte der prominente demokratische Abgeordnete Adam Schiff den 81-Jährigen auf, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen. Kurze Zeit später berichteten Medien übereinstimmend, dass die beiden Top-Demokraten im US-Kongresses, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, Biden bereits in der vergangenen Woche davor gewarnt hätten, an seiner Präsidentschaftsbewerbung festzuhalten. Schließlich berichtete der Sender CNN unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen, dass die demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi dem US-Präsidenten kürzlich in einem Gespräch gesagt habe, er könne Präsident Trump im Rennen ums Weiße Haus nicht schlagen. Biden reagierte demnach abweisend. Die "New York Times" schrieb hingegen, dass Biden sich in den vergangenen Tagen offen für derartige Warnungen gezeigt habe und sich die Argumente zumindest anhören würde. Als Quelle nannte die Zeitung Demokraten, die über die Gespräche informiert worden seien.
Biden hat bisher alle Rückzugsforderungen zurückgewiesen und klargemacht, dass er nicht vorhat, aus dem Wahlkampf auszusteigen. In einem am Mittwoch ausgestrahlten TV-Interview sagte er auf eine entsprechende Frage allerdings, dass ihn ein medizinisches Problem dazu bringen könne, über einen Rückzug nachzudenken.
Der Demokrat steht wegen seines hohen Alters und Zweifeln an seiner geistigen Verfassung massiv unter Druck aus den eigenen Reihen. Seit einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen seinen Kontrahenten Trump forderten ihn in den vergangenen Wochen diverse demokratische Abgeordnete auf, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen. Viele weitere äußerten sich öffentlich sehr besorgt über seine Wahl-Chancen.
Der Abgeordnete Schiff, der sich um einen Posten im Senat bewirbt, erklärte nun, er habe ernsthafte Bedenken, ob Biden den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump im November besiegen könne. Biden habe große Erfolge zu verbuchen, aber es sei an der Zeit, den Weg freizumachen für jemand anderen. Schiff ist ein Vertrauter Pelosis. Die 84-Jährige hat in der Partei weiterhin großen Einfluss und hatte vergangene Woche bereits in einem TV-Interview signalisiert, dass die Debatte um Bidens Kandidatur noch nicht beendet sei. Dass sie ausdrücklich darauf verzichtete, Biden ihre Unterstützung auszusprechen, machte Schlagzeilen.
Bidens Beharrlichkeit bereitet Sorgen
Auch auf höchster Parteiebene bereitet Bidens Beharrlichkeit offenbar Sorgen. Sowohl Schumer, Mehrheitsführer im Senat, als auch Jeffries, Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, hätten in der vergangenen Woche separat Gespräche mit Biden geführt und davor gewarnt, dass Bidens Festhalten an seiner Präsidentschaftsbewerbung dazu führen könne, dass die Demokraten die Kontrolle über beide Kongresskammern verlieren könnten.
Das berichteten die "Washington Post" und ABC News unter Berufung auf anonyme Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Schumers Büro teilte als Reaktion auf die Berichte am Mittwoch mit, der Senator habe Biden die Ansichten seiner Fraktion übermittelt. Solange die Quelle nicht Schumer oder Biden heiße, bewege sich Berichterstattung im Bereich der Spekulation.
Biden, der nach der Wahl im November im Amt bestätigt werden will, war am Mittwoch in Las Vegas unterwegs, um vor allem bei der hispanischen Bevölkerung um Stimmen zu werben. Der positive Coronatest machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er habe Atemwegsbeschwerden, eine laufende Nase und Husten, teilte sein Arzt mit. Er habe seine erste Dosis des Covid-Medikaments Paxlovid bekommen. Biden gehört wegen seines hohen Alters zur Risikogruppe. Er war zuletzt im Sommer vor zwei Jahren positiv auf das Virus getestet worden.