Thomas Matthew Crooks, ein 20-jähriger Mann aus Pennsylvania in militärischen Tarnfarben, kroch auf das Dach einer 120 Meter entfernten Fabrik und feuerte fünf bis sieben Schüsse ab, bevor ihn Scharfschützen vom Secret Service töteten. Seine Tat hat das Land erschüttert und könnte auch eine politische Zäsur darstellen. Noch sind viele Fragen offen. Folgende Szenarien sind denkbar:
Szenario 1 – Rückzug Trumps
Trump tritt aus Angst vor dem nächsten Attentat zurück. Das ist unwahrscheinlich. Am Sonntag verkündete er, Gott habe ihn beschützt, das Böse dürfe nicht gewinnen. Und führende Republikaner scharen sich um ihn.
Szenario 2 – Trump triumphiert
Trump, ohnehin führend, segelt mit komfortabler Mehrheit ins Weiße Haus, angefeuert von Millionen loyaler Anhänger, die wütend sind wegen des Attentates. Allerdings: Die Wahl wird nicht von überzeugten Anhängern entschieden, sondern von Wechselwählern in Swing States.
Szenario 3 – Demokraten nutzen die Unruhe
Die Demokraten nutzen die Unruhe, um in der für sie problematischen Diskussion um die Amtsfähigkeit von Präsident Joe Biden Fakten zu schaffen und ersetzen den 81-Jährigen durch einen anderen Kandidaten. Im Gespräch sind etwa die Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien) oder Gretchen Whitmer (Michigan). Auch Vizepräsidentin Kamala Harris könnte antreten. Das wäre am einfachsten, wenngleich ihre Umfragewerte ebenfalls schlecht sind. Aber ob ein anderer als Biden bessere Chancen hätte, ist bloße Spekulation. Der linke Senator Bernie Sanders jedenfalls stellte sich gestern hinter Biden.
Szenario 4 – Eskalation der Gewalt
Bürgerkrieg. Trumps Anhänger sind wütend, viele gewaltbereit und sie suchen Sündenböcke – von der Polizei bis zu demokratischen Wortführern und Aktivisten von Black Lives Matter. Nach Umfragen fürchten 64 Prozent der Amerikaner steigende Gewalt. Und: 14 Prozent sehen Gewalt als legitimes politisches Mittel. Sollte Trump die Wahl verlieren, könnte es einen bewaffneten Aufstand geben. Allerdings: Amerika ist zwar gespalten, aber mehr zwischen Stadt und Land und entlang ethnischen Linien, die Fronten sind also verlaufend. Und: Das Militär und die Polizei würden das nach jetzigem Stand nicht unterstützen. Trotzdem, allein die Angst treibt viele Demokraten dazu, leisezutreten.
Szenario 5 – Einigkeit
Amerika rückt zusammen. Das hofft der Vorsitzende der New Yorker Republikaner, Ed Cox. Nach dem Attentat auf John F. Kennedy sei das auch passiert. Auch Mike Johnson, der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, rief zur Beruhigung auf. Der linke Senator Bernie Sanders sagte, angesichts der vielen Probleme müsse das Land einig werden, Politik müsse „irgendwie langweilig sein“.
Szenario 6 – Sezession
Trump gewinnt und führt die Geschäfte so autoritär, wie er es im Wahlkampf angekündigt hat. Er verfolgt politische Gegner mithilfe von Polizei und Justiz. Daraufhin spalten sich einige demokratische Staaten ab – Kalifornien, New York und mehrere Staaten im Nordosten.
Szenario 7 – Attentäter von rechts
Es stellt sich heraus, dass Crooks, der Attentärer, ein Rechter ist, dem Trump nicht konsequent genug war. Dann werden die Republikaner einen Weg finden, den Demokraten auch dafür die Schuld zu geben.