Ein israelischer Schlag gegen den Militärchef der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Mohammed Deif, ist offenbar misslungen. Deif sei bei dem Angriff auf Khan Younis am Samstag nicht ums Leben gekommen, sagte Hamas-Vizechef Khalil al-Hayya dem Fernsehsender Al Jazeera. Zuvor hatte auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu Zweifel an der Tötung geäußert. Bei dem Luftschlag auf Zeltunterkünfte starben laut der Hamas mehr als 100 Menschen.

„Es besteht noch keine absolute Gewissheit“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv. Die Armee hatte zuvor mitgeteilt, dass sie noch prüfe, ob Deif und Rafa Salama, der Kommandant der Khan-Younis-Brigade, bei dem Luftschlag westlich der gleichnamigen Stadt ums Leben gekommen seien. Das israelische Militär bombardierte Stunden zuvor ein abgezäuntes Objekt in der humanitären Zone zwischen Khan Younis und Al-Mawasi, das nach israelischer Darstellung als Basis für Hamas-Terroristen diente.

Anführer der Hamas im Visier

Der Angriff ereignete sich dem Gesundheitsministerium zufolge in einer von Israel als sicher ausgewiesenen „humanitären Zone“ des Flüchtlingslagers Al-Mawasi im Westen von Khan Younis. Viele der Verletzten schwebten in Lebensgefahr, hieß es aus medizinischen Kreisen. Demnach wurden Zelte von Vertriebenen getroffen. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA gab es am Vormittag mehrere heftige Angriffe in der Gegend. Mitarbeiter im nahe gelegenen Nasser-Krankenhauses berichteten, dass es nicht mehr ausreichend Betten gebe, um die große Zahl der Verletzten nach den Angriffen aufzunehmen.

Israels Außenministerium teilte mit, Verteidigungsminister Yoav Gallant habe „angesichts der Entwicklungen in Gaza“ kürzlich eine Beurteilung der operativen Lage mit Generalstabschef Herzi Halevi sowie dem Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, durchgeführt.

Ein Ziel Israels im Gaza-Krieg ist es, Deif sowie den Hamas-Führer im Küstengebiet, Yahya Sinwar, gefangen zu nehmen oder zu töten. Sie gelten als die beiden wichtigsten Anführer der Organisation innerhalb des Gazastreifens. Im März hatte die Armee die Tötung des dritthöchsten Hamas-Führers im Gazastreifen, Marwan Issa, gemeldet.

Israel spricht von getöteten Terroristen

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge am Samstag auch ihre Einsätze in der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens fortgesetzt. „In Zusammenarbeit mit der Luftwaffe haben die Soldaten gestern mehrere Terroristen eliminiert“, erklärte das Militär am Samstag. In der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wurden demnach „zahlreiche Tunneleingänge“ zerstört und ebenfalls Kämpfer der Hamas getötet. Zudem habe die Luftwaffe ein Lagerhaus ins Visier genommen.

Dort seien Gleitschirme gelagert worden, die bei dem Hamas-Großangriff am 7. Oktober auf Israel benutzt worden seien. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete am Samstag von Artilleriebeschuss im Südosten von Gaza sowie im Zentrum der Stadt. Das Viertel Tel al-Hawa wurde den Angaben zufolge mit Drohnen beschossen. Mindestens zehn Palästinenser sollen in der Nähe von Gaza-Stadt bei einem israelischen Angriff getötet worden sein, der Gebetshalle in einem Lager für Vertrieben traf, verlautete aus dem Gesundheitssektor.

Augenzeugen hatten am Freitag vom Rückzug israelischer Soldaten aus einigen Vierteln von Gaza berichtet. Laut dem Zivilschutz in dem von der Hamas kontrollierten Palästinenser-Gebiet waren dort nach einer zweiwöchigen israelischen Offensive etwa 60 Leichen gefunden worden. Die israelische Armee gab an, „mehr als 150 Terroristen“ getötet zu haben.

Der Krieg im Gazastreifen war durch einen Großangriff von Kämpfern der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei waren nach israelischen Angaben 1.195 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden.

Als Reaktion auf den Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bisher mehr als 38.340 Menschen getötet.

(Artikel um 21.45 Uhr aktualisiert)