Acht Tage nach Beginn des ungarischen EU-Ratsvorsitzes hat Ministerpräsident Viktor Orbán eine weitere Auslandsreise unternommen. In Peking traf er am Montag den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, wie ein von ihm auf X verbreitetes Foto zeigte. "China ist eine entscheidende Macht, um die Bedingungen für Frieden im Russland-Ukraine-Krieg zu schaffen. Deshalb bin ich gekommen, um Präsident Xi in Peking zu treffen", sagte Orbán über seine "Friedensmission".
Nach Besuch bei Putin
Schon bei seiner Ankunft in Peking hatte er der rechtskonservative ungarische Regierungschef von einer „Friedensmission 3.0“ gesprochen, in offenkundiger Anspielung auf seine vorwöchigen Besuche in Kiew und Moskau. Für sein Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin war Orbán von den EU-Partnern scharf kritisiert worden. Ungarn hat im zweiten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz inne, doch sind damit keinerlei Vertretungsbefugnisse im außenpolitischen Bereich verbunden. Diesbezüglich sind einzig der ständige EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell befugt. Auf diese Tatsache wies Borrell erst am Samstagabend hin, nachdem Orbán auch am Gipfel der Organisation der Turkstaaten (OTS) in Aserbaidschan teilgenommen hat und damit dem EU-Mitgliedsstaat Zypern in den Rücken fiel. Beobachterin der Organisation ist nämlich auch die abtrünnige Türkische Republik Nordzypern, die mit militärischer Unterstützung der Türkei ein sezessionistisches Regime im Nordteil des EU-Staates etabliert hat.
Vor der Visite im Kreml hatte Orbán auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew besucht. Orbán gilt als Kritiker der militärischen Unterstützung Kiews sowie der Sanktionspolitik gegen Aggressor Russland. Auf EU-Ebene hat er jüngst gemeinsam mit FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babiš ein neues Rechtsbündnis aus der Taufe gehoben, das sich unter dem Namen „Patriots for Europe“ am Montag als neue Fraktion im Europaparlament konstituieren möchte.
Vor Nato-Gipfel in den USA
Orbáns China-Visite findet nur wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in Washington statt, bei dem es um weitere Militärhilfe für die Ukraine gehen soll. Orban, der von allen EU-Staats- und Regierungschefs die engsten Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin pflegt, sagte vergangene Woche, er habe erkannt, dass er kein EU-Mandat habe, um nach Moskau zu reisen, aber dass Frieden nicht „von einem bequemen Sessel in Brüssel aus“ gemacht werden könne.
China versucht sich im Russland-Ukraine-Konflikt als Vermittler zu präsentieren. Einerseits betont es sein Eintreten für die territoriale Integrität der Ukraine, andererseits stützt es den Aggressor Russland wirtschaftlich massiv. Nach Einschätzung von Beobachtern ist China daran gelegen, dass sich der Westen im Konflikt mit Russland wirtschaftlich und militärisch verausgabt. Ungarn hatte der chinesische Staats- und Regierungschef im Mai im Rahmen einer Europareise besucht, die ihn auch nach Paris und Belgrad führte. Orbán war im Oktober einer von wenigen europäischen Vertretern und einziger EU-Regierungschef, der bei Chinas Forum zur „Neuen Seidenstraße“ teilgenommen hatte. Ungarn ist außerdem Teil jenes chinesischen Investitionsprojekts, mit dem die Volksrepublik weltweit Infrastruktur-Projekte umsetzt und damit auch ihren Einfluss ausbaut. Andere westliche Länder versuchen - auch als Lehre aus der Aggression Russlands - ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern.